Sonntag, 30. Juli 2017

Pastorale

An Sonntagen komme ich einfach nicht aus dem Bett. Heute wehte eine kühle Brise durchs Schlafzimmer-Fenster und brachte eine Melange aus Jasmin- und Kaffee-Duft mit. Das ganze unterlegt mit Gerüchen vom bald garen Sonntags-Braten und allerlei frischem Backwerk...

Das Begleit-Konzert liefern unsere drei großen Kirchen mit ihrem Sonntagsgeläut. Drüben,  das kann ich im Liegen sehen, leuchtet der lichtgeborene Ort facettenreich wie eine  Pretiose. Noch ist alles saftig grün rund um den Talkessel, und Großfeuer wie ein paar Dutzend Kilometer weiter westlich, jenseits der Grenze zu Frankreich, blieben uns bislang erspart.

Ich liebe es auch, wenn unsere Dorf-Trompete Wanda nach der Musikprofessorin schreit, obwohl es eigentlich eine sehr wohlklingende Hausglocke gäbe. Ihre Kommando-Stimme lässt mich gewissermaßen im Bett stramm stehen und erinnert mich daran, dass es heute für die Burg-Geister ja ein besonderer Sonntag ist:




Denn am Übergang vom Juli
zum August schlägt sie wieder zu
die Gourmet-Gemeinde.

Cena in Piazza:

zweierlei Zucchini-Blüten (fritiert und gefüllt), Vitello tonnato, Tarte verde mit Trombette beziehungsweise Mangold  Sardinen im Bierteig, Nudelsalat tiepido mit Auberginen und Peperoni, drei Paste al Forno. Aber der absolute Höhepunkt war diesmal das Kuchen-Büffett: Die Schoko-Sensation Salame dolce, ein Karotten-Kuchen von einzartiger Fluffigkeit, eine Schweizer Aprikosen-Tarte, ein Hauach von Mandelkuchen und direkt vom Garten in den Backofen eine noch warme Quiche aus Weinberg-Pfirsichen ( Saturnine)...

Donnerstag, 27. Juli 2017

Acqua Azzurra

Juli und August sind beliebte Monate für allerlei Kunst. Am Seine-Kai in Paris liegt zum Beispiel ein täuschend echter, gestrandeter Wal, der sogar "fischelt". Auf der Documenta in Kassel ist bis zum September ein Parthenon aus verbotenen Büchern zu bestaunen.

Hier in Ligurien lässt sich die Doppel-Gemeinde Imperia auch nicht lumpen. Zum Festival der zeitgenüssischen Kunst verfärbte sicb pünktlich das Wasser der Fontana an dser Piazza Dante. Er wurde aber deswegen  nicht gesperrt, und ich habe das Bild auch nicht  manipuliert. Die Piazza ohne Verkehrs-Stau?  Das gibts doch gar nicht!

Doch! Bei 32 Grad im Schatten fand hinter mir unter den Arkaden Dantes Inferno statt. Der Rest der geplagten Menschlein bruzelte entweder am Strand oder mampfte pünktlich um eins Mamas Pasta.


Mittwoch, 26. Juli 2017

Ugo, der Erinnerer

Da sind die meisten Menschen drauf, die meine Briefe mit ihrem Leben erfüllen. Ihr wisst ja, dass ich keine Klarnamen verwende: wegen der Quellen-Sicherheit, aber auch zum Schutz der Dargestellten.

Heute mache ich eine Ausnahme, weil er mit 93 eine direkte Erwähnung verdient: Ugo, definitiv der beste Burg-Geist, den man sicb wünschen kann. Er ist der Hahn im Korb mit Pokal und Sonnenbrille. Die muss er tragen, seit ein heimtückischer Virus in den vergangenen Monaten sein Auge angegriffen hatte. Aber der Ugo lässt sich nicht unterkriegen.

Gestern wurde der Viel-Geehrte ein weiteres Mal für sein Mäzenatentum ausgezeichnet. Da reiste sogar der vorgesetze Priester unseres tamilischen Pfarrers auf seinem Motorroller an, um sein Werk zu segnen.

Ugo, der ehemalige Professor vom Polytechnikum, setzt seinen ganzen Unruhestand und beachtliche Teile seines Vermögens ein, um die Erinnerungen an die Geschichte seines Heimat-Dorfes am Leben zu erhalten.

Er steht dem Kunstverein bei, schreibt Broschüren über den Einfluss der einst hier waltenden Nobilita, und er hat aus dem ehemaligen Kinder-Asyl eine zauberhafte Bibliothek gemacht. Aber am wichtigsten ist sein  enormer Beitrag zur Instandhaltung der historischen Kirchen.

Gestern war die mehr als 500 Jahre alte Kirche an der oberen Piazza im Zetrum des Dorf-Interesses. Nachdem Santa Anna im Laufe der vergangenen Jahre von außen wieder propper hergerichtet wurde, hat Ugo dafür gesorgt, dass ein altes Altar-Gemälde, das aus irgend einem nicht bekannten Grund schwarz übermalt oder gar rücksichtslos zugerußt worden war, freigelegt und restauriert wird. Die Kreuzigungs-Szene und die Engel im Himmel sind schon parziell wieder zu sehen.
Anlass genug, den großzügigen Ugo zum heutigen "Giorno della Santa Anna" in das Dankes-Gebet mit einzubeziehen.

Mancher mag sagen, dass das viel Aufwand sei - für eine Kirche, die nur zweimal im Jahr ihr Portal öffnet. Aber das muss ja nicht so bleiben, wenn der vermeintliche Geburtsort von Kolumbus dank Ugo vielleicht einmal Weltkultur-Erbe wird...

Wenn ihr das Foto durch Click aufblast, könnt ihr vielleicht auch die eine oder andere Person aus meinen Briefen  anhand meiner Schilderunge identifizieren.

Dienstag, 25. Juli 2017

In eigener Sache

Liebe Leute!
Ich habe wirklich alles versucht, um das gestrige Horror-Gewitter auch per Video im Blog zu dokumentieren. Seit auch mein Laptop den Geist aufgegeben hat, schreibe ich die Posts auf einem drei Jahre alten Tablet, was mit meinen Wurstfingern schon schwierig genug ist. Mir ist es leider nicht gelungen, auch die extrem auf zehn Sekunden gekürzten Takes zu posten...

Wenn eines von Euch Genies eine Idee hat, wie es doch gehen könnte, liefere ich nach.
Der Blogger

Montag, 24. Juli 2017

Nipoti

Nun ist es ganz sicher nicht so, dass ich die heißen Tage in den kühleren Räumen dazu nutze, meine mehr als peinlichen Lücken im Italienischen zu schließen.
Vielmehr geht mein Hirn vor lauter Faulheit  wegen chronischer Unterbeschäftigug von selbst auf Wanderschaft.

Zum Beispiel wenn nahezu jeden Nachmittag der in einem Pflegeberuf tätige Neffe von Don Marino hier hochklettert, um den 94jährigen, der nur noch selten aus dem Haus kommt, zu  versorgen. Ich finde das großartig, zumal ich die große Sippe vor ein paar Tagen bei Da Maria beim Festessen erleben durfte: lauter gelungene Menschen mit einer Mama als Oberhaupt, die in puncto natürlicher Eleganz und Schönheit sogar Madame Lagarde in den Hintergrund drängen würde.

Alles Erbschleicher sagt die Dorf-Fraktion der anderen - natürlich im Streit lebenden - Verwandtschafts-Sippe, die auch nicht gerade im Ruf steht, das kleinste Fitzelchen an Erbbarem auszulassen. Was umso erstaunlicher ist, da beide Sippen in puncto Haus- und Grundbesitz unschätzbar reich sind. Da passten die ebenfalls enormen Latifundien von Don Marino eben auch noch gut ins Portfolio...

Bei dem kinderlosen Don Marino ist das mit dem Nipote einfach. Er ist also ein Neffe, wie auch der Nipote unserer Seelensammlerin, der sich aber gewiss nicht aus Habsucht so rührend um die Schwester seiner Mutter kümmert. Fabrizio ist einfach so. Es macht ihm auch nichts aus, uns seit Jahren zum gleichen Vorzugspreis mit Öl und eingelegten Oliven zu versorgen. Wir seien seine Marketing-Abteilung, erklärt er.

Aber gerade war Marina mit ihren süßen und lebhaften Enkelchen auf der Piazza. Ihren Nipoti! Und zwar einer Nipota und einem Nipote. So einfach wie hier auf dem Castello mit seinem Nepotismo (Vetternwirtschaft) ist es im Alltagsleben sonst aber nicht, wenn man keinen Einblick in die Familien-Verhältnisse hat.

Wenn einer seinen Dito gebrochen hat, muss man  auch nachfragen, ob es sich um den Zeh oder den Finger handelt. Auch hier macht die Vokabel selbst keinen Unterschied

Seltsam, was einem bei der Gluthitze so alles durch den Kopf geht...



                           Heimlicher Großgrundbesitz soweit das Auge reicht.

Samstag, 22. Juli 2017

Donner-Delirium

Wenn die Welt von Wirrköpfen regiert wird, ist es doch auch kein Wunder, dass sie von wirrem Wetter und  sich rächender  Natur heimgesucht wird.

Vorgestern musste Nachbar Paul in die Heimat fliegen, weil die Unwetter im Westen Deutschlands seinen Keller überflutet hatten. In der Ägäis wurden  die Urlauber von Beben aus den Betten geschüttelt, während Italien von einer Trockenheit heimgesucht wird, die in keinner der alten Aufzeichnungen zu finden ist:
Der Po ohne Wasser, Sizilien seit einem Jahr ohne nennenswerte Niederschläge. Der Impero, unser Tal-Fluss, der im Frühjahr noch Brücken und Autos mit sich riss, besteht nur noch aus ein paar Pfützen.

Nicht nur die Ernte hier ist in Gefahr, sondern die gesamte Wasser-Wirtschaft.

Zum Hohn blitzte es gestern abend über dem Gebirge wie im Stahlgewitter.
Hoffnungsfroh legte ich mich in die Kissen und beobachtete das Spektakel. Im Halbschlaf-Delirium hörte ich sogar den Donner heran rollen, aber das war nur der Doppler-Effekt sich überm Tal begegnender Urlaubsjets: die einen im Landeanflug auf Nizza, die anderen im Steigflug einer feuchteren Heimat entgegen.

Jetzt bleibt nur der unerschütterliche Glaube unserer Seelensammlerin. Im isabellenfarbenen Gewand stand sie an der Fontana, den schweren, vollen Eimer am Arm ohne Protese, zeigte stumm auf alle Zierpflanzen rund um die Piazza und wies dann mit dem gesunden Arm dorthin,  von wo Il Signore schon alles richten wird.

Ihr Glaube versetzt Berge. So glaubt sie nämlich, wenn sie im Haus nur das Gratis-Wasser der Gemeinde verbraucht, ein Vorbild des Wassersparens zu sein...
       Mein Aquqrell aus vergangenen Tagen: Gewitter über Porto Maurizio

Mittwoch, 19. Juli 2017

Toten-Glocken

Mögen wir mit zunehmendem Lebensalter über den Tod nachdenken? Wenn ja, dann doch nur im Geheimen. Nacht für Nacht, ob alles bedacht wurde...

Im Dorfleben mag der Stadtmensch vieles verdränge wollen - so wie meinereiner, der sich täglich dabei ertappt, wie er den Horror der weltweiten Nachrichtenlage weiter in den Hintergrund drängt.

Aber im Dorf-Funk, in dem jede Nachricht vom obersten Stock hinunter in die tiefste Gasse mit den durchdingenden Kopfstimmen ausgetauscht wird, kannst du dich einfach nicht ausblenden. Im Halbschlaf magst du dir vorgaukeln, dein Italienisch reicht ja ohnehin nicht, um das wie vom Maschinenvewehr abgefeuerte, schnelle Geschnatfer der Donne zu  verstehen:
Funerale, matremonia, tragico morte, povera vedova - das alles drängt ins Unterbewusstsein und wird dort ohne Zusammenhang übersetzt.
Ist es nicht normal, dass in einer Gemeinde, in der die Menschen weit älter werden als im europäische Durchschnitt, auch mal die Toten-Glocken durchs Tal wummern?

In diesem Halbjahr haben wir sie öfter gehört als sonst. Jede  Gemeinde hat da ihre spezielle Dramaturgie für die Campanologie. Unsere beginnt mit einem Wirbel verschiedener kleinerer Glocken, der wohl das  bewegte Leben der oder des Verstorbenen symbolisieren soll. Dann gibt es eine Pause, und nun erklingt die traurig tonierte  Toten-Glocke in der sich hinziehenden Zahl der Lebensjahre, die ganz am Schluss dann immer leiser ausklingt...

Gestern, morgens um Acht, schlug die Glocke der Nachbar-Gemeinde. Dumpf, quasi trostlos, zehn Minuten lang, übertönte sie sogar unser Stunden-Geläut und erzeugte eine echte Gänsehaut. Muss - wie in Bayern  geasgt wird -  a große Leich gwesen sein

Bei all den Ritualen kommt mir als Agnostker der kätzerische Gedanke:
Wenn es das Leben nach dem Tod doch gibt, wieso fällt der Abschied vom irdischen Dasein immer so schwer? Müsste der Tod nicht ein tröstender sein wie auf meinem Aquarell?


Montag, 17. Juli 2017

Gourmet-Gemeinde

Eine Woche überragender Sex...










La Festa delle Erbe in Cosio di Arroscia findet alljährlich mitte Juli an einem Sonntag statt. Für die Burggeister ein Pflicbt-Termin. Nach  einer genussvollen Gourmet-Woche war das ein gelungener Abschluss. Denn die "Trattoria Da Maria" ist zwar längst kein





Geheim-Tipp mehr, aber das hindert sie nicht daran, immer wieder eins drauf zu setzen. Mal sehen, ob ich von oben herab noch alles zusammen bekomme.

Zum Appetit anregen (?) leicht ausgebckene Teig-Kroketten mit einer Zwiebel-Marmelade zum Hineintauchen. Dann echtes Vitello Tonnato. Gefolgt von gegrillten Zucchini-"Spaghetti" mit frischem Käsebruch. Tartar mit Alphasprossen. Bruschetto mit aufgegrilltem Parmesan. Frittierte Blätter mit Apfelschnitzen und Lavendel-Knospen. Mangold-Souflee mit Porree-Schaum. Kürbis-Törtchen. Gebackene Teig-Rouladen mit Gemüsefüllung. Auberginen-Risotto. Arrosto mit Salat. Kaninchen in Gemüseragout. Frischkäse-Tiramisu gefolgt von Semifredo Pannacotta an Schokolade. Das alles mit Wein, Wasser, Schnäpsen und Espresso inklusive für 30 Euro pro  Nase. Da kann keiner meckern!

Als ich selbst noch jünger war, habe ich den Spruch, dass gutes Essen der Sex des Alters sei, immer gehasst. Aber aus diesem Blickwinkel muss ich bekennen, dass wir mit unseren zum Teil noch älteren Feunden eine Woche mit geradezu überragendem Sex hatten.

Demnächst mehr von den nachbarschaftlichen Gourmet-Woche auf diesem Blog...








Freitag, 14. Juli 2017

Die putzende Polizei

Dieser Tage kam die Seelensammlerin ohne Protese große Eimer schleppend zur Fontana. Als hätte sie sich mir gegenüber zu rechtfertigen gehabt, verriet sie:
"Mia casa  ha disparato bisogno di la pulizia!"
Ich saß mit meinem Morgen -Kaffee auf der Bank. Mein Matsch-Hirn war also noch nicht richtig hoch gefahren. Bis ich kapiert hatte, dass sie von ihrem Hausputz sprach, war ich ebenso desparat die Polizei-Struktur meines Gastgeber-Landes durchgegangen. Wir haben hier oben ja eigentlich nicht oft " bisogno di la polizia".
Einmal, als die mit Besenstiel und Schlachtbeil beweherte Nachbarschaft unsere gellend um Hilfe schreiende Socialclub-Barfrau, Signora Girasole, vor einem Einbruch bewahrte, kam die Polizei erst drei Stunden später...

In den Krimis,  die in Italien spielen, gleichgültig von welchem Autor, kann der Leser schon die verwirrende Struktur der Ordnungskräfte erahnen. Verlässlich sind aus meiner Sicht da am ehesten  Andrea Camilleri dessen Montalbano ja auf Sizilien einen permanenten Zustädigkeitszwist mit der der Mafia nahe stehenden Carabinieri auszufechten hat, und die Helden des Autoren-Duos Fruttero und Lucentini.
Die bei uns megaerfolgreichen Dona Leon und Veit Heinichen hingegen sind in Italien weitgehend unbekannt, weshalb sie auch stets mit deutschem Personal verfilmt werden.

Dass die Italienischen Polizei-Organe derart verwirrend strukturiert sinď und jede Organisation einem anderen Ministerium untersteht, zeigt in Wirklichkeit, dass aus der Mussolini-Zeit in der bestehenden Verfassung gelernt wurde. Kein Bereich wäre in der Lage, von sicb aus politisch wirkungsvoll Partei zu ergrekfen.

Der Beitrag auf Wikipedia zu diesm Thema macht einem einiges klar, allerdings fehlt da wohl die kürzliçh eingericbtete "Polizia per poste e telecomunicazione", die sich vor allem der wachsenden Zahl von Cyber-Kriminalfällen widmen soll.

Montag, 10. Juli 2017

Wunder-Wasser

Es ist immer wieder erstaunlich, wie unser Gastgeber-Land mit Wasser umgeht. Einerseits hat und hatte es immer so viel davon, dass es in Brunnen und Wasserspielen dem ewigen Fließen huldigte, andererseist wird auf dem Stiefel auch jeglicher Dreck, Unrat und Sperrmüll dem Wasser zum Transport überlassen.

Keine Frage, das hat sich inzwischen in Zeiten der Mülltrennung - auch auf der Burg - - deutlich gewandelt.  Noch immer sind die Spuren der Frühjahrs-Hochwasserfluten in den Gebirgstälern zu sehen: Riesige Geröllhalden aber kaum noch Müll dazwischen.

Gestern also haben uns unsere Nachbarn Paul und Paula auf einen Ausflug zu ihrem Lieblings-Restaurant "La Tramontana" hoch in die Berge hinter den Nava-Pass mitgenommen. Zu diesem Ausflug gehört auch ein Stopp an der Brücke von Ponte di Nava. Der einst als Geheimtipp geltende Spezialitäten-Laden mit seltenen regionalen Produkten ist Kult geworden. weshalb er am Sonntag-Vormittag derart frequentiert ist, dass in der klaustrophobischen Enge kaum noch Luft zum Atmen bleibt.

Ich meide ihn noch aus einem anderen Grund, weil er mir mal begaste Steinpilze als Piemontesische verkauft hat und mir verboten hatte, sie zwecks Inspektion anzufassen... Begasten Pilzen - ein Tipp - fehlt das zur Größe  passende  Gewkcbt, deshalb werden sie gerne zum Fixpreis in dekorativen Körbchen verkauft.

Aber seither nutze ich die Einkaufszeit der Damen zur Kontemplation vor der kleinen Kirche nebenan, vor der ein Engel aus einem Kreuz auf seiner Brust permanent  ausgezeichnet schmeckendes Wasser sprudeln lässt. Unsere fast heilige Seelensammlerin, die ja auch in der Trockenzeit Wasserwartin ist, würde ob dieser Verschwendung vermutlich vor Ehrfurcht nieder gestreckt.

Seitlich hält der Engel zwei Schilder auf denen übersetzt stebt:
"Wer von dieser Quelle trinkt, hat keinen Durst mehr." Ob viele diese Botschaft als Hinweis auf Wundersames missverstehen?

Jedenfalls jeder, der in Ponte di Nava hält, nimmt einen Schluck, füllt seine Trinkflasche nach oder besorgt sich einen Wochen-Vorrat in Kanistern.

Da konnte auf dem Rückweg vom Essen auch Paul nicht widerstehen, leere Flaschen aufzufüllen. Nach vier Flaschen Wein und ebensoviel Sprudelwasser wollte er einfach keinen Durst mehr naben...

 Fotos: Paolo Fioriachi

Donnerstag, 6. Juli 2017

Einfach stecken geblieben

Die "Imperialen Verkehrswege" beherrschen  zu wollen, war von jeher Titanenwerk. Daran hat auch die Autobahn nichts geändert. Der Verdacht liegt sogar nahe, dass die Ableitungen  von ihr die Planer nach vollendeter Draufsicht schnurstracks in die nun schon lange leerstehende Nervenklinik von Costa-Raineri gebracht haben...

Für nix und wieder nix. Seit meiner Jugend  sind in Oneglia und Porto Maurizio zu bestimmten Zeiten Staus angesagt, aus denen es auch für Eingeweihte kaum ein Entrinnen gibt. Aber seit es die Impero-Überbauung für den neuen Bahnhof gibt, haben PKWS bergan auf dem rechten Flussufer zumindest die Chance, dem chronischen Doppelstau in Richtung Piazza Dante zu entgehen: Eine Einbahnstraße unter der alten Bahnstrecken hindurch.

Heute hat ein ungeduldiger Berufskraftfahrer in seinem 7,5Tonner ganz offenbar seine Fahrzeug-Höhe im nervenden Stau vergessen und ist volle Pulle in die Unterführung, die aber nur 2,80m hoch ist...

Die Aussicht auf das bevorstehende endgültige Verkehrschaos ließ die Fürsorglichste sofort in den Gegenstau drehen, und so erlebten wir innerhalb von ein paar Minuten das Wunder von Imperia:

Tief geduckt wie beim Sprint von Mailand-Sanremo rauschte zwischen den Kolonnen ein schwarzer Blitz auf seinem Sport-Mountainbike heran und teilte wie einst Moses die Fluten. Sein schwarze Rennkleidung talleine hätte ja schon Respekt abgenötigt, aber der Schriftzug "Policia Locale", das Funkgerät und die Waffe taten ihr Übriges.
Rabiat wartete er nicht, bis der Unglücksfahrer etwa die Luft aus den Reifen gelassen hätte. Er nötigte ihn ungeduldig, mit Schwung wieder rückwärts zu fahren.
Der Dachschaden war überschaubar, der Strafzettel aber vermutlich gesalzen.

Wir jedoch konnten mit nur drei Miuten Verspätung unseren Schleichweg benutzen...
Es leben die Imperialen Polizei-Radler!

Montag, 3. Juli 2017

Healthfood folgt auf Casareccia

Für mehr als einhundert Jahre war das "La Patria" an den Güterbahn-Gleisen im Hafen von Oneglia die Anlaufstelle für unverfälschte Ligurische Gastfreundlichkeit. Als die Gleise  noch lagen, und der Hafen mit seinen Kränen auch am nördlichen Kai eine industrielle Romantik vermittelten, leuchtete das Schild "Seit 1897 originale Küche"  bis hin zur Capetanaria.
Dann verlor der Hafen seine Bedeutung und seine Funktion schrumpfte auf den Westkai, wo gelegentlich Frachter Oliven-Granulat aus Nordafrika löschen oder Megajachten, die wohl immer noch preiswerten Liege-Gebühren nutzen.
Mit dem Wandel zur Zona Divertimento und der immer stärkeren Kokurrenz zu den Jachten passender Restaurants wurde das "La Patria" im wahrsten Sinne des Wortes in die Ecke gedrückt.
Heute sind wir dankbar, dass wir das Ende seiner Blütezeit noch miterleben durften. Die Zuppa di Pesce kam in riesigen Pfannen aus poliertem Stahl mitten auf den Tisch und trug uns mit ihrem Duft aufs Meer hinaus. Das ureigene Rezept für die Spaghetti alle Vongole Verace habe ich dem alten Chef geklaut.  Er schwitzte mit dem Sud der Muschelm auch noch vorgekochte und klein gehackte Tentakel von Totani und Kalamari an.

Diese lange Einleitung war ich der Trattoria schuldig. Die drei Nachfolger-Wirte versuchten mit veränderten Konzepten und höheren Preisen den verlorenen Boden wieder gut zu machen, dann verstarb das "Vaterland". Zwei Jahre oder länger starrten einen verschmierte Fenster an.
In diesem Frühjahr sahen wir an gleicher Stelle auf einmal ein neues Restaurant, das an Wochentagen mittags voll von jungen Leuten war. ORTO heißt  das neue Restaurant und wirbt mit Healthfood. Was das Publikum erklärt. Junge Männer mit   Sackbärten,geknöpfte T-Shirts und Hosenträgern an den Jeans. Junge Frauen mit u halbseitigen Udercut-Frisuren im Gipsy-Styling. Das ganze sah aus wie der Set für einen Hipster-Film.
Wir haben uns nicht getraut, uns dazu zu setzen.

Am vergangenen Samstag war Orto bis auf einen Tisch leer. Bei so heißem Wetter  ist das von drei Seiten umwehte Schatten-Eck mit dem tollen Blick auf den Hafen ideal. Die Fürsorglichste sagte:  "Da gehen wir jetzt hin!"
Ich meinte: "Du hasst doch dieses Ultimative."





Und dann  saßen wir da und schauten auf eine bunte Karte von einem anderen Stern Das noch junge Personal war lässig, aber so alte Gäste wohl nicht gewohnt. Die Frage, ob ich wohl was frisches Biofischiges haben könnte, wurde mit staunendem Unverständnis aufgenommen. Hinzu kam die junge Frau vom Wirt samt zweijähriger Tochter auf dem Arm, die uns 2 mit Seifenblasen befeuerte. Mehr und mehr gefiel mir dieses Restaurant, obwohl sie meinte, Fisch und Fleisch gäbe es nur am Abend.
Aber ihr Marito käme gleich. Und da kam er Fuß-Sack mit Zwirbel-Bart. Ein Abbild seiner Kundschaft? Mitnichten. Es stellte sich heraus, dass er der Sohn der weitberühmten Kräuterhändlerin aus Oneglia - also vorbelastet ist.  Und ja, er werde mit dem Chef reden, ob ein Vorgriff aufs Abend-Menü denkbar sei.

Sekunden später kam er wieder. Ob denn Spaghetti mit Gamberi Rossi di Sanremo genehm seien? Und weil der Chef wissen wollte, wie der hartnäckige Gast die Offerte aufnähme, schaute er gleich selbst nach.
Ich machte den Daumen hoch für das angemessene I like, denn auch der Chef hatte einen Stylisten-Fußsack und Designer-Kochklamotten an.

Dann Ging es ans Bestellen: Meine Frau war weniger kompliziert und bestellte, was ihr vorgeschlagen wurde; große, aus Bio-Produkten hausgemachte Pasta in Muschel-Form (Conchiglie) in Pesto Genovese - also mit grünen Bohnen und Kartoffeln. Als ahnte sie, dass sie die riesige Portion, die dann kam, nicht schaffen würde, orderte sie keine Antipasti.

Ich war weniger zurückhaltend und nahm die empfohlene Buddha Bowl als Vorspeise zu den Sanremo-Gamberi. Buddha-Bowling for the big Buddha?

Es kam eine tiefe  Schüssel, die vom Aussehen her all meine  Befürchtungen übertraf:
fein geraspelter Rotkohl, gebratene Tofuscheiben, Kichererbsen, gekochter Bulgur-Weizen. Alles schön sauber getrennt, damit auch jede Bio-Komponente zu sehen war.
Aber  dann stellten sie ein Olivenöl der Extraklasse dazu. Schon beim Untermischen entwicklete sich ein Duft, der dann vom Geschmack des Ganzen noch übertroffen wurde. So schnell lösen Geschmacks-Knospen Vourteile auf.
Auch, wer gedacht hat, Pasta Pesto schmecke immer gleich, wäre überrascht gewesen. Den Unterschied machten allein schon die selber gemachten Riesen-Conchiglie. Sie hatten eine nussig aromatische Bissfestigkeit,  die viel Oberfläche für einen ehrlichen Kräuter-Geschmack boten. Ich musste der Fürsorglichen helfen,
Dennoch schaffte sie den Superbowl nicbt.

Für 18 Euro kamen meine Spaghetti mit dieser ausgemachten  Meeres-Kostbarkeit.
Die Roten aus Sanremo sind von Haus aus ohne Kochen rot. Gourmets schätzen den rohen Geschmack dieser Tiere,  die vorne am Kopf wie am Schwaz fedrige Flossen haben. Ich bekam beides. Den Sud aus den Karkassen und ein japanisch filettiertes, rohes Exemplar on top. Küchenmeisterliche Performance!

Das Teuerste am Essen war ein Vermentino von der umfangreichen Bio-Weinkarte, der geschmacklich den Speisen und der Hitze ideal temperiert angepasst war.
Kann man durchaus empfehelen