Dienstag, 7. November 2017

Freunde?

In Zeiten der Net Communities scheint es besonders leicht Freundschaften zu schließen und auch zu pflegen. Aber genau so im Handumdrehen kann das herzlich Offenbarte in blanken Hass umschlagen. Der Begriff Freundschaft verliert dadurch an Wert und weicht einer Oberflächlichkeit, in der preisgegebene, tiefere Gefühle stets von einem gewissen Misstrauen begleitet werden müssten. Wer kann schon garantieren, auf welchem Daten-Müll sie einst landen...

Mein Vater war Oldschool. Er starb, bevor das Internet richtig im Fahrt kam. Aber er behütete lebenslange Freundschaften. Zwei-, dreimal im Jahr verschickte er stapelweise weltweit Ansichtskarten mit tollen Marken drauf, um die Freunde und Freundinnen auf dem neuesten Stand zu bringen und um natürlich auch Aktuelles von ihnen zu erfahren. Ich weiß nicht, ob er genauso viele Karten oder Briefe zurück bekommen hat, aber ich weiß eine rührende Geschichte:

Mit einem indischen Medizin-Studenten spielte er in Kiel während seines Jura-Studiums in einer Tischtennis-Mannschaft, die sogar Deutscher Meister wurde. Der Krieg riss sie auseinander, aber auch trotz aller späteren Unruhen auf dem Subkontinent hielten die beiden immer brieflich Kontakt.

Nach der Pensionierung Richtung Ostasien im VW-Bus unterwegs, machte meine Vater seinen alten Tischtennis-Kameraden in einem Nest in Zentral-Indien ausfindig wo der beliebte Doktor nun auch seinen Ruhestand genoss. Er machte gerade seinen Mittagsschlaf, als mein Vater dessen Hauspersonal bat, ihm das Wecken zu überlassen. Er tippte ihm sanft auf die Schulter, und im Moment des Erwachens erkannte er nach vierzig Jahren Trennung meinen Vater sofort.

Anderthalb Jahrzehnte später hielt sich der Doktor nach einer schweren Operation in München zur Genesung im Haus meiner Eltern auf, als mein Vater den Sekunden-Tod starb. Eine wahre Lebensfreundschaft!

Selbst im e-mail-Zeitalter wünschte ich diese Beharrlichkeit für mich. Aber Fakt ist, dass meine wirklichen Freunde entweder schon tot sind, oder wir durch charakterliche Veränderungen so weit auseinander gedriftet sind, dass ein erneuter Brückenschlag mir zu mühselig wäre. Zumal ich durch das halbjährliche  Dorfleben in Italien dem Sterben von Freunden viel näher bin als hier in der Großstadt und es einfach nicht ertragen kann.
Im Alter muss wahre Freundschaft spontan und
ohne "Klettverschluss"  sein

Allen Sprichwörtern zum Trotz werde ich immer mehr zu einer Insel, die sich mit Dämmen an Schutzbehauptungen gegen die Flut des Unvermeidlichen schützen will.

Mein Weg, Kontakt zu pflegen, sind meine Blogs, in der Hoffnung dadurch "Freunde" zu finden.  - So einseitig dies auch sein mag.

Selbst die alte Fußball-Forderung "11 Freunde müsst ihr sein" ist ja durch das Söldner-Wesen mit Transfers in Multimillionen Höhe eine Legende aus grauen Zeiten...

Sonntag, 15. Oktober 2017

Weinstein

Als alter Sack erinnere ich mich daran, dass ich bis hinein in die 1980er ein großer Fan von
Weinstein war. Da war aber der Stern noch der Stern. Ich bin überzeugt, der aus der Feder von Peter Neugebauer stammende Meister-Detektiv hätte der Illustrierten die Schmach mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern erspart. Der Kriminalist mit dem kantigen Konterfei war keinesfalls ein Comic, sondern ausgeklügelter Denksport.

Parallel profitierte ich noch von einem anderen Weinstein, nämlich dem am Boden von Weißwein-Flaschen. Wann immer Freunde Krescenzen wegstellen wollten, weil sie am Boden der Flasche Weinstein entdeckt hatten, opferte ich mich und meinte, ich könne wenigstens noch Essig daraus machen. In Wahrheit dekantierte ich dann auch die Weißweine und sicherte mir einige wahre Genüsse, weil Weinstein in der Flasche durchaus ein besonderer Qualitäts-Nachweis ist. Schuldig im Sinne der Anklage!

Nun wird wegen seines wohl seit Jahren offenkundigen sexuellen Fehlverhaltens der Produzent Harvey Weinstein als Person aus der Academy und seiner Firma verjagt. Und damit wird auch seine Leistung als Produzent und kreativer Macher an den Pranger gestellt. Picasso, Egon Schiele, Roman Polanski, haben sich diverse sexuelle Übergriffe sogar mit Minderjährigen erlaubt. Wie viele andere große Künstler, die aus ihrem Glanz göttliche Attraktion gezogen haben! Manche wussten sogar - wie Klaus Kinsky - darin in Biographien zu berichten. Ihr Werk oder die künstlerischen Leistungen trugen deswegen keinen Schaden davon, allerdings zurecht oft das persönliche Ansehen.

Die Besetzungs-Couch ist eine ur-amerikanische Metapher für die ekelhafte Doppelmoral Hollywoods: Da wählen sie einen begeistert bekennenden Pussy-Grabber zum Präsidenten und lassen zu, dass er die ganze Nation mit seinem Irrsinn terrorisiert, unterhalten die größte und rücksichtsloseste Porno-Industrie auf Erden, während sie einen Buben in Handschellen aus dem Kindergarten abführen, weil er eine Spielgefährtin unschuldig geküsst hatte.

Damit ich nicht missverstanden werde: Wer für Karriere-Versprechen sexuelle Gefälligkeiten verlangt, ist ein Schurke im Sinne der Straffälligkeit. Es ist offenbar lange bekannt gewesen, dass Harvey Weinstein gerne so vorging, und man machte öffentlich Witze darüber, anstatt ihn anzuzeigen. Mit der plötzlich hervorbrechenden Erinnerung schießt Hollywood ein doppelmoralisches Eigentor. Die Diven haben die Meldung von Übergriffen und ihr jetzt erst gebrochenes Schweigen mit der Angst vor der Macht der Studio-Bosse begründet. Sie haben ihre Karriere aber dennoch zunächst über die seelische Unversehrtheit gestellt. Derart traumatisiert wurden sie allerdings zu Superstars mit der Macht, es Harvey Weinstein heim zu zahlen...

Noch eine Anmerkung zu "sexual harrassment": Als ich mal Werbemittel für den deutschen Zweig eines großen Pharma-Konzerns entwickelt hatte, staunte ich über die Liste, die an der Kaffee-Küche hing. Darauf war vermerkt, was alles zu unterbleiben hatte, um unheimliche Begegnungen der sexuellen Art - selbst nur angedeutet - zu vermeiden.



Eines der erfolgreichsten Potenz-Mittel für ältere Herren wurde übrigens von jenem Konzern entwickelt und zum Welterfolg... Ein Schuft, wer Böses dabei denkt...

Donnerstag, 7. September 2017

Ohne Schweiß ein Preis

Pünktlich zum meteologischen Herbst-Anfang hat sicb unser Lieblingswetter eingestellt: Schön geformte Wolken-Schiffe gleiten über den tiefblauen Himmel. Getrieben von sanften Brisen, die auch uns kühlen, sodass wir auch tagsüber unsere in den letzten Wochen viel zu heiße Dachterrasse wieder nutzen können.
Hinzu wie ein Sonderpreis kommen die kühleren Nächte, die wir wieder für erholsamen Schlaf unter der Bettdecke verbringen können.

Wie viele Sprichwörter von daheim wird da auch unser "ohne Schweiß kein Preis" hier konterkariert. Nicht 24 Stunden aus allen Poren zu schwitzen, fühlt sich wie eine Belohnung an. Das finden auch die Bastler und Bauarbeiter. Ab Samstag sind wir weitgehend allein mit unseren italienischen Nachbarn, die nun alle Arbeiten, die während grande calda liegen geblieben sind, mit Freude wieder aufnehmen.

Auch der Blogger wird versuchen, ein wenig mehr Mobilität zu entwickeln, um über die Dörfer zu ziehen und dann am Meer zu sitzen...

Daher bitte ich meine geschätzte Leserschaft um Verständnis dafür, wenn dieser für 2017 der letzte Brief von der Burg ist. In 14 Tagen, wenn die Bundestagswahl vorbei ist, melde ich mich dann wieder aus dem Glashaus.


Bleibt mir gewogen.


Samstag, 2. September 2017

Preisfrage

Wo ist das Leben preisgünstiger?
Wir werden oft mit dieser Frage komfrontiert, weil die Freunde glauben, dass wir das durch den Halbjahres-Rhythmus mit dem wir zwischen München und der Burg wechseln, eigentlich wissen müssten.

Verbrächten wir den Winteer hier auf der Burg, ließe sich die Frage sofort beantworten, weil die Energie-Preise durch gewisse Monopole hier oben so absurd hoch sind, dass sie Lebenshaltungskosten insgesamt verfälschen. Vor allem das Gas für die Heizung ist so teuer, dass die meisten Nachbarn auf Pelletöfen oder Solar-Energie umgestellt haben. Auch die Elektrizität, um die seit der Freigabe eine für den Verbraucher unübersichtliche Schlacht auf dem Verbrauchermarkt entbrannt ist, rangiert auf Europa-Rekordniveau.
Falls wir mit der Familie einmal Weihnachten hier feiern, kostet uns das die Summe, die wir in München im ganzen Jahr zahlen.

Wir fragen uns, wie die noch arbeitenden Nachbarn das Leben überhaupt meistern können, denn wer hier in Ligurien einen Job hat, bei dem er mit Krankenkasse und Sozialversicherung die 1000-Euromarke erreicht, gilt als gut Verdienender.

Das Geheimnis liegt am hohen Eigenheim-Besitzstand im Familien-Verbund und der Selbstversorgung über die eigenen Faschen. Tränken wir nicht soviel und gingen nicht so oft teuer essen, kämen wir spielend mit 150 Euro pro Woche aus.

Generell sind Lebensmittel hier nicht nur besser, sondern auch deutlich preiswerter. Mit Ausnahme von richtig gutem Rindfleisch. Aber auch diese Lücke wurde jetzt durch den Großmetzger im Tal und seinen angeschlossenen Laden gefüllt.

Die Supermärkte setzen so oft auf Promotione, dass Per Steinbrück erstaunt wäre, wieviele wirklich gute Weine wir für unter fünf Euro abgreifen. Meine Whisky-, Vodka- und Gin-Sorten sind hier bis zu 20 Prozent günstiger.

Die  größte Fehleinschätzung gibt es beim Restaurant-Essen. Man muss mit den Preisen beim Lieblings-Italiener daheim vergleichen! Wir unterscheiden unsere Lieblings-Restaurants hier in 70-, 90- und 100-Euro-Kategorien für zwei Pesonen. Die letzteren suchen wir auf, weil sie etwas auf der Speisekarte haben, was es sonst nirgends gibt. In kaum einem  der Restaurants steht aber ein Wein auf der Karte, der über 20 Euro zu Buche schlüge. Schon allein das macht den Unterschied zu gehobenen Restaurants in München aus. Denn da  beginnt die Weinkarte meist erst über dieser Marke...

Wir Deutschen glauben, dass die Italiener immer mit Antipasti, Primi, Secondi und Desert essen. Das tun sie höchstens bei Geschäfts-Essen oder bei besonderen Anlässen. Ansonsten nimmt man an vierzehngängigen Gelagen Getränke inklusive im Hinterland teil. Da gibt er für zehn Leute 300 Euro aus. Das würde am Meer gerade für Ehefrau und Kinderchen reichen.
In der Arbeits-Woche gehen die meisten in eine Bar ihres Vertrauens, in der es klassische Tellergerichte für unter zehn Euro gibt.
Wer sich dort - wie in meiner Lieblingsbar an der Piazza Dante - ein mit 5 Euro zugegebenermaßen teures Birra media gönnt, bekommt soviel Leckerli dazu, dass er bei kleinem Hunger durchaus satt werden kann.

Die Vertrauensfrage ergibt sich auch bei allem handwerklichen Bedarf, der nicht durch kundige Nachbarn gedeckt werden kann. Reguläre Dienstleistungen sind sehr viel günstiger als bei uns, weil das Berechnen der Anfahrt hier in den Bergen unbekannt ist, und sich bei guter Leistung eine Art Dauer-Beziehung wie  von selbst ergibt. Etwa bei unserem Elektriker und TV-Fachmann Rudolfo, der seit anderthalb Jahrzehnten sofort kommt, wenn wir ihn anrufen.

Einen Strich unter die Gleichung dieser Preisfrage zu machen, fällt also ansonsten ziemlich schwer, aber ich denke, es liefe unstatistisch auf Gleichstand hinaus.
Aber wer muss überhaupt ins Restaurant,
wenn er Gourmet-Nachbarn hat,
die sich bei Einladungen geradezu übertreffen?...
Aktuell vor zwei Tagen bei unserer
hoch geschätzten Schweizer Freundin

Dienstag, 29. August 2017

Das Gewicht der Seele

Die Seele des Menschen - wenn es sie überhaupt gibt, was wiegt sie?

Selbst ernst zu nehmende Wissenschaftler haben sich intesiv mit physikalischen Methoden dieser Frage angenommen. Die riesen Unterschiede, die sich dabei ergaben, lassen den Verdacht aufkommen, dass um die Seele nur noch mehr Mythos aufgebaut werden soll: Die Seelen-Gewichte schwanken laut diversen Quellen also zwischen 18 und 350 Gramm. Manche Forscher gehen von einem Einheitsgewicht aus - egal ob es sich um ein Baby oder einen Zweizentner-Mann handelt. Gemessen wird im Moment des Todes. Aber wann ist der genau?

Die bange Frage beschäftigt mich Ungläubigen, weil die von mir so genannte "Seelensammlerin" gestern in ihrem Haus gegenüber der Gasse schwer gestürzt ist und wir sie fast nicht heraus bekommen haben. Ich schreibe wir, weil als die Postina laut um Hilfe schrie, sofort alle Nachbarn herbei eilten, aber nichts tun konnten, weil so gut wie alle Burghäuser mit ihren massiven Türen und doppelten Verriegelungen quasi uneinnehmbar sind.

Die Gestürzte war ansprechbar, aber ihre Stimme war schmerzverzerrt und brüchig, so dass ich die Telefonnummer vom Neffen einfach nicht verstehen konnte. Ludo, der jüngste unter den Nachbarn rief sofort Ambulanz und Feuerwehr an. Letztere weil man davon ausgehen musste, dass die Tür nur mit Gewalt zu öffnen sei.

Aber Ambulanz und der Neffe mit den Schlüsseln trafen fast gleichzeitig ein. Der Rest war dann Bergdorf-Rettungsroutine.

Heute wissen wir, dass sich die "Seelensammlerin" ausgerechnet den Arm mit der Prothese gebrochen und ansonsten "nur"  Hämatome davon getragen hat. Das ganze Dorf ist besorgt um die heuer 80jährige: Wird sie wie bisher mehrmals in der Woche die steile Treppe zur Kirche hinunter gehen können? Wird sie sich wie immer energisch für Il Signore einsetzen und all ihre Herzensgüte aufwenden, um verlorene Schäfchen in seine Obhut zurück zu treiben?

Wie sich herausstellt, wird sie irgendwie von allen herzlich geliebt. Auch von mir, der ich ihr Tun oft ein wenig schmunzelnd begleite. Angesicht der Überlegungen am Anfang dieses Posts wünsche ich ihr bei allen Seelen, die sie sammelt, dass diese tatsächlich nur 18 Gramm wiegen mögen.

Werde schnell wieder ganz gesund du himmlisch guter Burggeist!
San Giovanni ist der Lieblingsheilige der "Seelensammlerin". Wenn - wie hier bei der alljährlichen großen Prozession in Imperia - bei uns im Borgo die kleinere Ausgabe um die Häuser muss, scheut sie auch nicht, den Dorf-Agnostiker zum Tragen einzuspannen. .

Samstag, 26. August 2017

L'Ombra - Schatten

Wenn über Mittag die Piazza voll im Schatten liegt, ist das bei den immer noch vorherrschenden Temperaturen zwar äußerst angenehm. Aber der Stand der Sonne zeigt uns auch an, dass der Sommer nun bald vorüber ist. Wir haben gerade noch vier Wochen auf der Burg, dann geht es zurück ins Glashaus. In den langsam aufkommenden Trennungs-Schmerz mischt sich erleichternd die Vorfreude auf das Wiedersehen mit unserem Enkel.

So wie dieses Jahr trotz der vier lähmenden Hitzemonate vorüber gerast ist, so hat seine Entwicklung in jener Zeit an Fahrt aufgenommen. Zumindest das haben wir mit den Filmchen via telegram mitbekommen. In dieser Beziehung hat die moderne Kommunikation eben auch Sonnenseiten. Was mich zurück zum eigentlichen Thema bringt...

Wo Licht ist,  gibt es auch Schatten. Dies dürfte von Anbeginn die physikalische Ur-Erkenntnis aller Lebewesen auf Erden gewesen sein.

In der letzten Woche spielten drei Geschwister aus England auf der Piazza. Das Mädchen so alt wie unser Enkel, aber sprachlich wegen der ein paar Jahre älteren Buben, schon weiter, kicherte haltlos, weil ihre Brüder immer wieder über ihren Schatten sprangen; ihr das aber nicht gelang, weil die Jungs sich immer dann drehten, wenn sie drüber tapsen wollte.

Bei mir löste das eine Kettenraktion über Redewendungen zum Thema Schatten aus:
Selbst im übetragenen Sinne gelingt es den wenigsten über den eigenen Schatten zu springen, aber wir sind zumindest nahe dran, wenn wir aus dem Schatten eines anderen heraus treten, der uns durch seine Länge und Breite (Kohl/Merkel) fast eingeschüchtert hätte.

Wenn man eines anderen Schattenmann war und dabei von Dunkelmännern beschattet wurde, hätte das leicht im Schattenreich enden können...

Ich hingegen bin einigermaßen froh, dass mir "restare al'ombra" keinen allzu großen Schatten verpasst hat.

Selbst die Sonnenuhr gegenüber
meiner Schreibstube hat
einen Schatten, der sie bald
nötigt, die Winterzeit
unten anzuzeigen 

Donnerstag, 24. August 2017

Indirizzo spagliato

So sehr wir uns über die Komplimente der Passanten für unser Haus oder die Piazza freuen. Die zentrale Lage im Borgo hat auch ihre unbequemen Aspekte. Wenn zum Beispiel unsere rotschöpfige Postina, mit der jeder hier im Dorf per Du ist, frei hat, macht sich ihr Ersatz selten die Mühe, nach den Teilzeit-Adressen zu suchen. Dann werden die ausländischen Namen erst unverständlich ausgesprochen, dann wird einem die Postsendung zum Lesen in die Hand gedrückt. Schwerer Fehler!

In dem Moment, da wir versuchen, den Weg zum Empfänger zu beschreiben, werden wir auch schon höflich gebeten, so freundlich zu sein, dem Ersatzmann diesen abzunehmen. Con piacere und gentilmente ist bei der Hitze nicht so toll, vor allem bei über 30 Grad hinauf zum oberen Dorfrand...

Beim frechen und tatsächlich faulen Personal der diversen internationalen Paket-Dienste, die einen am Parkplatz abfangen wollen, gehen wir schon lange nicht mehr in die Falle. Da geben wir vor, nur hospite zu sein oder stammeln indirizzo spaglato - falsche Adresse...

Aber aus eigener Erinnerung früherer, angemieteter Ferienhäuser wissen wir um die Gemütslage, nach ermüdender Anreise, das Gebuchte nicht oder verschlossen vorzufinden. Da sind wir gerne Auskunftei. Vor allen Dingen, wenn es darum geht, den meist mit uns befreundeten, professionellen Vermietern eines auszuwischen.

Wenn nun, da sich die vorausbuchenden Stammkunden verabschiedet haben, das mühsame Tagesgeschäft beginnt, glänzen Joaquino und Daniello gerne durch Abwesenheit bei deren Ankunft und gehen auch nicht an die in den Unterlagen angegebenen Handy-Nummern. Die Alleingelassenen stranden dann meist vor unserer Haustür, und wir helfen dann aufopferungsvoll - in dem ich die wirklich geheimen Privatnummern der beiden weitergebe...

Oft versucht dann einer, mich noch einzuspannen, um seinen Strand-Nachmittag zu retten. Aber da ist er dann wirklich an der falschen Adresse.

Idirizzo spagliato!
Steil und mühevoll sind die
Wege für alle, die
etwas zu liefern haben

Dienstag, 22. August 2017

Ginger ist zurück

Wir hatten mal eine Nacht, da schlief sie sanft in meinen Armen. Aber seit ihr Frauchen die Sonnenblumen-Bar im Capo luogo führt, sah ich sie nur noch selten. Alte Liebe rostet schon, wenn die Beziehung Hunde-Mensch mit Katze auch noch von einem zotteligen existenzialiatisch veranlagten Kater tangiert wird...
Ich stelle mir vor, dass Ginger unsere "Männergespräche" gelegentlich belauscht hat und sich dachte: Was soll ich bei den Vollpfosten?

Ich glaube, was Katzenfreunde so in diese Tiere hinein interpretieren, unterscheidet sie von Hundehaltern. Der Hund ist direkter, treuer und - wenn er gut erzogen ist - ein gehorsamer Begleiter. Wer sich auf Katzen einläßt, stellt sich deren Rätselhaftigkeit, fördert ihr schwer zu manipulierendes Wesen und ist auf immer dankbar für jedes Schnurren und Schmusen als Zeichen wahrer Liebe. Dabei geht es doch Hund und Katze nur um Versorgungsansprüche. Jeder, der in unserem Haus wohnt, würde das also gleichermaßen erleben, weil diese Tür an der Piazza ja meist offen steht.

Die schüchterne Spaniel-Dame Sahra von der Witwe des Bürgermeisters , die einst so scheu war, dass sie nur ihr Frauchen berühren durfte, rast ohne Leine sofort um die Ecke in unsere Küche, staubt bei meiner Frau eine Scheibe Schinken ab und holt sich bei mir eine ausgiebige Öhrchenknuddelei. Selbst die nur ein paar Wochen im Borgo herum jagende Griotte (Sauerkirsche) unserer französischen Nachbarin rast erstmal die Treppen zur Piazza hoch, um uns schwanzwedelnd zu begrüßen. Einmal als ich oben am offenen Fenster meiner Schreibstube stand, wäre ich vor Schreck bald rausgefallen. In rasendem Tempo aber lautlos war Griotte die Steile Treppe hinauf gestürmt und leckte von hinten meine Waden...

Die Katzen dürfen wegen der Allergie meiner Frau nicht ins Haus. Dennoch haben das Ginger und Lazaro seit kleinauf versucht. Ginger, die Schleichkatze, musste regelrecht hinaus getrieben werden, während Lazaro die Eingangsstufe als Grenze anerkannte. Er sitzt jetzt meist in der Tür wie ein englisches Dekorationsstück. Er frisst meiner Frau aus der Hand, springt aber jedesmal davon, wenn ich durch will.

Nur wenn sein Herrchen Vittorio bei uns sitzt, umstreicht er schnurrend meine Beine und kuschelt seinen schönen Kopf in meine Streichelhand.

Ginger lässt von all dem, was wir früher an Zärtlichkeiten ausgetauscht haben, gar nichts mehr zu. Im Sicherheitsabstand setzt sie sich wie eine Diva in statuarischer Schönheit unnahbar in Positur, will aber eindeutig beachtet werden.

In der Mittagshitze vertraut sie mitten auf dem Platz liegend jedoch wie früher einmal, dass ich über ihren Schlaf wache.

Verstehe einer die Katzen...

Samstag, 19. August 2017

Potrebbe essere

"Nix G'wiß woas ma net", sagt der Bayer, wenn er einem fragwürdige Geschichten auftischt. Der italienische Privat-Gelehrte bemüht da den sehr viel eleganter klingenden Konjunktiv wie auf dem braunen Schild am Dorf-Eingang. Es verfehlt seine gewollte Wirkung nicht, wenn Touristen wissen wollen, ob es tatsächlich stimmt, dass der Entdecker hier geboren wurde.

Si, si certo! Werden die dann unter Hinweis auf die Via Colombo und die Casa Colmbo bestärkt. Habe ich auch schon ein paarmal gemacht und dabei auch die Legende von dem heimischen Geschichtsforscher wiederholt:

Demnach wurde Kolumbus um die Ecke von unserem Haus als Kind von Cousin und Cousine geboren, was im hiesigen Kirchen-Register einiger Bereinigung bedurfte. Das Dorf gehörte damals tatsächlich zum Herrschaftsbereich Genuas, was den weltweiten Streitigkeiten um die Herkunft von Kolumbus noch eins drauf setzt.

Aber was steht eigentlich wirklich auf dem Schild?
Frei übersetzt: "Dies ist der Ort, wo die Familie von Christoforo Colombo herstammen könnte"...
Potrebbe essere - könnte sein. Mehr braucht es nicht für ein braunes Schild, das Sehenswürdigkeiten ankündigt.
Aber die wenigsten Besucher wären enttäuscht, weil unser Borgo allein schon durch seine Schönheit besticht.

Dienstag, 15. August 2017

Himmelfahrts-Kommando

Heute ist Mariä Himmelfahrt. In Deutschland nur im katholischen Süden, ist der vom päpstlichen Rom vor langer Zeit verordnete Feiertag einer der wichtigsten in Italien - nicht nur weil er in der Ferienzeit liegt: Ferragosto..

In der heutigen Arbeitswelt geht er meist mit sogenannten Brückentagen einher, was jegliches unterwegs Sein mit dem Auto in Richtung Meer oder in die kühleren Berge zu einer Art Himmelfahrts-Kommando macht....

Wie haben uns wie immer mit Vorräten eingedeckt und werden die Burg erst nächsten Samstag wieder verlassen, um die Stille hier zu genießen.

Ruhe und Stille? Auch in unserer allerkatholischsten Borgata ist es längst nicht mehr so wie in meiner Kindheit. Da waren die Städte leer und die Strände knüppelvoll, was meinen kulturbeflissenen Vater dazu brachte, uns  im Umkehrschluss alle Bauwerke in genußvoller Ruhe darzubieten. All die Kirchen gingen ja noch. Die waren ja schön kühl. Aber die meisten interessanten Bauwerke waren eben: chiuso per ferie.

Und das galt auch für die meisten Bars und Restaurants, so dass ich mich bis heute an quälenden Hunger und Durst erinnere.

Ja und jetzt? Durch das Dorf hallen Hammerschläge, jaulen Kreissägen und fliegende Wortfetzen der sich streitenden Experten. Kaum ein Handwerker läßt sich das kleine Extra-Geschäft an den Brückentagen hier oben entgehen. Dazu kam in der Nacht auch noch die Sagra im Nachbardorf, die bis zwei Uhr ihre Beats herüber schallen ließ.

Jetzt sitze ich als Agnostiker, der gelegentlich zu dem Gott betet, an den er eigentlich nicht glaubt, und beschäftigt sich mit Marias Sohn.

Vor ein  paar Tagen hätte ich nämlich den INRI  mit einer für einen Slapstick-Film geeigneten Handlung fast von seinem Platz beim Eingang herunter geholt: langer Gegenstand vorne umsichtig bugsiert, aber seine Ausmaße hinten unterschätzt...

Als ich den Haussegen wieder gerade gerückt hatte, dachte ich darüber  nach, ob die Fuß-Stellung am Kreuz Aufschluss darüber geben könnte, ob der Heiland Rechtsfüßler oder Linksfüßler war. Wenn ich auf dem Rücken liege, legt sich meine rechte Wade automatisch über das linke Schienbein... Aber ob die Schergen darauf überhaupt geachtet hätten?

Die Erforschung der wichtigsten Darstellungen von Christus am Kreuz im WWW ergab nichts Schlüssiges. Bei gut einem Drittel geht der Nagel zunächst durch den linken Spann. Gut zehn Prozent der Künstler gehen davon aus, dass die Füße parallel festgenagelt wurden. Aber nichts Genaues scheint da überliefert.

Bleibt da noch die zurück gedrängte Frage, wieso sich die Christenheit ausgerechnet eines der brutalsten und quälendsten Hinrichtungs-Instrumente der Strafgeschichte als dauerhaftes Leit-Symbol auserkoren hat? 71 vor Christi Geburt hatte der Tribun Crassus 6000 der Gefangenen aus dem Spartacus-Aufstand entlang der Via Appia kreuzigen lassen. Unterstützt wurde er dabei von Gaius Julius Cäsar,  mit dem ich im Geschichts- und Latein-Unterricht wegen seiner Ermordung immer Mitleid hatte...
Unser INRI

Freitag, 11. August 2017

Tempesta, Temporale oder beides zusammen?

Endlich ist es soweit. Mit schöner Gleichmäßigkeit höre ich die Tropfen an meine Fenster klopfen. Auszeit für die angefeindeten Dauergießerinnen der Piazza. Diesmal war il temporale nicht so mit Hagel niederschmetternd wie vor vierzehn Tagen.

Auch la tempesta war zwar zunächst heftig, brachte aber dann diesen kühlenden Landregen, der hoffentlich auch den Faschen gut tut.

Wieso schreibe ich über tempesta und temporale in einer Zeit, da die Heimsuchung durch die Naturgewalten in Deutschland gerade besonders hartnäckig ist?

In des Schattens Kühle während la grande calda habe ich neben dem Computer und allen mir zur Verfügung stehenden Wörterbüchern (deren Erscheinungsdaten zum Teil weit ins 20. Jahrhundert zurück reichen)  auch die Alten hier im Dorf befragt.

Denn zu den vielen ungereihmten Analyseversuchen, Spekulationen und Interpretationen, kommt ja bei Giorgiones Meisterwerk La Tempesta die Frage auf, wieso die Deutschen das Bild "Das Gewitter" nennen, wenn es doch eigentlich "Der Sturm" heißen müsste?

Am nächsten bin ich dieser Frage noch im großen Langenscheidt aus  den 1980ern gekommen. Dort wird la tempesta auch als Donnerwetter - wenn auch im allegorischen Sinne der Übersetzung erwähnt; nämlich als Donnerwetter, das es setzt, wenn der Vater seinen Wochenlohn versoffen hat...

Grazie alla Accademia di Venezia
Ich will mich hier auf keinen Fall aufspielen, wo die Interpretation Tausende wissenschaftlicher Seiten gefüllt hat, und sogar Anregung für Krimis war.

Ich habe fünf Jahrzehnte fotografiert, bin allerdings als Maler dilettantisch gescheitert. Dennoch seien mir ein paar Fragen erlaubt, zu denen ich aus meiner hoch gebildeten Leserschaft eventuell ein paar Antworten bekomme:

Fotografen erzielen die plastischsten Landschaftsaufnahmen, wenn die Sonne auf eine Wolkenwand hinter dem Motiv scheint. Aber warum wirken Licht und Schatten auf diesem Giorgione, als gäbe es diverse "Einleuchtungen"?

Mutter und Kind wirken auf dem Bild derart emtspannt, dass man die bei Frauen immer vorhandene Angst vor Sturm und Gewitter sowie die vor Spannern nicht erahnen kann. Und das bei dem Meister-Poträtisten Giorgione! Wie also ist das Verhältnis der drei Personen  im Vordergrund zueinander, und was veranlasste die Kunsthisroriker, den Mann auf der anderen Seite des Flusses gleich wieder einmal als Zigeuner einzustufen?

In L'Accademia zu Venedig kommt der Betrachter ja nicht nahe genug an das Gemälde heran, weil immer Scharen von Besuchern auf Abstand gehalten werden. Aber die moderne Reprofotografie offenbart ja, dass es sich nicht nur um Übermalungen handelt. Bin ich der einzige, der bei dem hellen Punkt in den Wolken einen Chorknaben erkennt oder in den Wolken davor Schattenrisse von Beobachtern?

Giorgione galt ja nicht nur als Revoluzzer gegen die strengen Regeln seiner Zeit, sondern auch als gelegentlicher, in die Zukunft schauender Scherzkeks.

Was, wenn das seine Version von "Baywatch" war? Er in den damals schon modernen Bade-Shorts. Sie mit Knaben in der FKK-Zone des Flussbades entsprechende Privacy erwartend?
Oder ganz anders. Auf  einem Untergrund in Form eines Progetto einfach mal Motive auspobiert und dann festgestellt: Das sieht ja ganz gut aus.

Giorgione konnte ja nicht ahnen, dass das Gemälde einen solche  Sturm entfachen würde. Oder doch?



Donnerstag, 10. August 2017

Dummer August

Auf dem Weg zum Strand
Foto Cathy M.
Seit der Klimawandel wohl auch hier seine Spuren hinterlässt, denken wir oft darüber nach, ob wir uns künftig Juli und August hier ersparen wollen. Aber dann erinnern wir uns einerseit an die zurückliegenden "Wonnemonate" Mai und Juni mit erheblichen Heizkosten und lesen andereseits von den irrwitzigen Temperatur-Schwankungen in München.
Da bleiben wir dann doch lieber hier. Mit Ausnahme des einzigen Hagelsturms und ein paar kurzer Tröpfeleien haben wir jetzt sechs Wochen mit Tag-Nacht-Temperaturen (!) von im Schnitt 25 Grad hinter uns. Wir gewöhnen uns an die Verlangsamung des Seins und wenn wir ganz ehrlich sind, genießen wir das Abhängen im gelegentlich von Brisen durchwehten Haus. Vereint mit kühlen Sommer-Drinks birgt dieses Dasein einen gewissen Suchtfaktor. Der wird radikal auf "Cold Turkey" umgestellt, wenn Verwandtschaft ins Haus "schneit", die bespaßt und chauffiert werden möchte.
Da trifft es natürlich die Fürsorglichste von allen, die es trotz aller vorherigen Schwüre nicht lassen kann, entsprechend ihrer Fürsorglichkeit in Aktion zu treten. Ich habe ja den unendlichen Vorteil,  dass meine Medikamente - wie ich frech lüge -außerhalb  und innerhalb des Körpers die 30Grad-Marke nur kurz überschreiten dürfen. Um das zu unterstreichen, bleibe ich wie ein Maikäfer mit ausgebreiteten Flügeln erschöpft von der Nacht - bis das Haus leer ist - dramatisch hinfällig auf dem Bett liegen.

Während meine Frau sogar erschöpfende Strandgänge absolviert, genieße ich das eiskalte Bier der Einsamkeit.
Jedem, wie er es verdient.
Und! Die liebe Verwandtscbaft kann dann auch keine komischen Bilder von mir ins Netz stellen...

Montag, 7. August 2017

Usato mano

Eine der herausragenden Fähigkeiten des Menschen ist das Verdrängen seiner Sterblichkeit im hektischen Tagesgeschäft. Würden Erdogan, Trump und Konsorten all den Schaden anrichten, wären sie nicht im Moment des Handelns von ihrer unfehlbaren Unsterblichkeit überzeugt?

Wir Normalos sind in der Detailbetrachtung ja auch nicht viel besser - wenn auch nicht allgemein schädlich. Was häufen wir nicht alles an Dingen an, die sich im Laufe des Lebens als gar nicht mehr so wichtig erweisen.

Wer ein Haus für das "zweite Leben" im Süden erwirbt, tut das ja auch in Erfüllung eines lang gehegten Traumes.  Zuerst im Stadium des Ferienhauses nimmt jeder - vor allem hier im autofreien Borgo wegen des komplizierten Transportes  - gerne Restbestände des Vorbesitzers in Gebrauch, aber dann willst du ja dem Traum irgendwie ein eigenes Gesicht geben. Nach und nach möchtest du dann die Teile loswerden, nur um sie durch Neues zu ersetzen. Was aber dann wiederum dem Nachfolger nicht gefällt, weil ja eben nichts für die Ewigkeit danach passt.

Drunten im Tal wächst daher Jahr für Jahr ein Laden, der sich auf "Usato Mano", Dinge aus zweiter Hand, spezialisiert hat. Da gibt es Gläser, Stühle und Tische sowie viel antik Anmutendes. So kann sich die Phantasie leicht ausmalen, wie oft Gegenstände als scheinbares Schnäppchen den Weg zwischen Burg und Tal angetreten haben. Eine Win-Win-Situation, solange das Attraktive auch von anderen Geschmäckern der Nachfolger erkannt wird.

Es ist keinesfalls so, dass wir dieser "Todes-Spirale" in bald 20 Jahren entgangen wären. Weil wir aus Nachbarschafts-Harmonie oft nicht Nein sagen konnten, wenn uns etwas als Hinterlassenschaft angeboten wurde, wirkt unsere geräumige Cantina mitterweile wie eine Dependance des "Usato Mano". Vielleicht die heimliche Botschaft, selbst so einen Laden aufzumachen?

Dessen ungeachtet bleibt ja die persönliche Sammel-Leidenschaft, die nicht selten vom Zeitgeschmack inspiriert wurde. Die Fürsorglichste sammelt trotz zum Bersten gefüllter Vitrinen fleißig weiter seltene, oft überteuerte Gläser als Einzelstücke, und ich habe hier wie im Glashaus meine ungebremste Leidenschaft für Enten aller Arten vor Augen. Weil Journalisten ja immer vor "Enten" auf der Hut sein müssen. Hahahahaaa!

Nicht alles, was mir zugeflogen ist, gehört im engsten Sinne der Gattung
Ente an, aber Lockvögel gehörten ja auch zum Handwerk


Samstag, 5. August 2017

Wumbaba

Weil der Mond gleich wieder rund und schön wird, muss ich geschwind etwas loswerden:

Mit Blick auf meine Guache über Ölkreide, gab ich aus Spaß das Suchwort "Wumbaba" ein. Ich wurde schier erschlagen von Einträgen zu Axel Hacke.Ich bin ein augemachter Fan von Deutschlands bestem Kolumnisten. - Auch weil er in punkto Selbstvermarktung gut der Deutsche Art Buchwald genannt werden könnte.

Die Schüler-Verballhornung als Buch-Titel zu wählen, ist schlichtweg genial. Im Internet kommt das allerdings so rüber, als hätte er so eine Art Titelschutz darauf.

Ich habe eine schmerzhafte Erinnerung an die Frevelei, da wird der gute Axel gerade mal seine ersten Schritte gemacht haben. Wir waren zur Chorprobe für die Jahres-Abschlussfeier im Schullandheim, und ich durfte immer schon wegen  meiner Länge ganz hinten stehen. An einem Abend, der exakt das Szenario des Gedichtes von Matthias Claudius wiedergab, machten wir eine Wanderung. Nur der weiße Nebel wunderbar stieg nicht aus den Wiesen vor dem schweigenden Wald. Dafür schwirrten tausende Glühwürmchen herum.

Ergriffen stimmte unser Musik-Lehrer das wunderschöne Lied an, und wir Drei von der letzten Reihe hatten nichts besseres zu tun, als den weßen Neger Wumbaba zu aktivieren. Zack hatte ich die verdiente Watsche auf der noch zum Grinsen verzogenen Wange. Natürlich durfte ich bei der Feier nixht mitsingen. Wie sehr die Strafe verdient war, begriff ich aber erst richtig, als ich selbst begann vom Geschriebenen zu leben, und dabei meine Erkenntnis wuchs, dass ich wohl nie derartige Zeilen für die Ewigkeit verfassen würde...

Das Bild unten war auch als Abbitte gedacbt, und entstand weit vor Hackes Buchveröffentlichung.
         Und aus den Wiesen steiget der weiße Neger Wumbaba: Guache von Ölkreide

Mittwoch, 2. August 2017

Schnatter-Stunde

Wie viele Männer halte ich mich trotz aller geschlechtlichen Unwägbarkeiten für einen Frauen-Versteher. Doch je älter ich werde, desto häufiger bin ich im Zweifel, ob die Erkenntnisse all der Jahre überhaupt für ein derartig komplexes Thema ausreichen.

In der näheren Bekanntschaft - auch hier auf der Burg - gibt es kein Paar, das nicht von der weiblichen Hälfte dominiert wird. Die Fürsorgllchste und ich sind da keine Ausnahme. Wir Männer scheinen im letzten Lebensdrittel neben anderen Kompetenzen auch die sozialen aufzugeben. Das stärkt die Frauen-Liga, die hartnäckig hier ihre Stärke ausspielt.

Meine Frau und ihre zwei Schwestern haben die Fähigkeit  sich stundenlang gleichzeitig zu unterhalten, was einen gewaltigen "Output" erzeugt. Dinge, die beim direkten Simultan-Gespräch überhört oder nicht richtig vrstanden wurden, werden kaum eine Stunde später in telefonischen Einzelgesprächen fortgesetzt. Flatrate sei Dank!

Meine Tochter hat dies wohl auch genetisch mitbekommen. Jedenfalls gelingt es ihr auch immer spielend, wildfremde Menschen in stundenlange Gespräche zu verwickeln, beziehungsweise sie zusammen zu bringen.

Sie war noch nicht sehr oft auf der Burg, dennoch ist sie bis hinunter nach Villa bekannt, obwohl sie kein Italienisch spricht. Meine Frau spricht nach annähernd zwei Jahrzehnten hier oben  auch nicht viel mehr. Dennoch hat sie es geschafft, dass von Jahr zu Jahr mehr Burggeister zum nachbarschaftlichen Abendessen auf die Piazza kommen.

Frauen haben diese spezielle Fähigkeit, die ich früher mal als "Dorfbrunnen-Syndrom" verspottet habe, obwohl ich da schon oft davon profitiert hatte. Nur, dass der Dorfbrunnen in der Büro-Gemeinschaft der Copier-Computer mit Printer war.

Hier haben wir nun tatsächlich einen Dorfbrunnen, und obwohl nur wenige Damen ihn nutzen, bleibt er zentraler Nachrichten-`Faktor.

Passiert denn in einem Dorf wie diesem tatsächlich soviel, dass man sich ständig austauschen muss? Kommt wohl darauf an, was man für wichtig hält.

Wenn Nachbarin Paula jedenfalls auf der Burg ist, hat sich zwischen ihr und meiner Frau ein fixes Treffen um 19 Uhr ergeben, bei dem nicht nur Tagesaktualitäten, sondern Grundsätzliches aus der Gemeinde erörtert werden. Das dauert eine großzügig bemessene halbe Stunde bei ein oder zwei  Gläschen, die wechselseitig ausgeschenkt werden.

Manchmal setze ich mich dazu, merke aber schnell, dass ich störe. Durchs offene Fenster meines Büros dem ungebremsten Schnattern zu zu hören, macht viel mehr Spaß. Weil beide Parteien so tun, als hörten sie nicht zu, werde ich dann auch gerne verbal in die Mangel genommen...

Sonntag, 30. Juli 2017

Pastorale

An Sonntagen komme ich einfach nicht aus dem Bett. Heute wehte eine kühle Brise durchs Schlafzimmer-Fenster und brachte eine Melange aus Jasmin- und Kaffee-Duft mit. Das ganze unterlegt mit Gerüchen vom bald garen Sonntags-Braten und allerlei frischem Backwerk...

Das Begleit-Konzert liefern unsere drei großen Kirchen mit ihrem Sonntagsgeläut. Drüben,  das kann ich im Liegen sehen, leuchtet der lichtgeborene Ort facettenreich wie eine  Pretiose. Noch ist alles saftig grün rund um den Talkessel, und Großfeuer wie ein paar Dutzend Kilometer weiter westlich, jenseits der Grenze zu Frankreich, blieben uns bislang erspart.

Ich liebe es auch, wenn unsere Dorf-Trompete Wanda nach der Musikprofessorin schreit, obwohl es eigentlich eine sehr wohlklingende Hausglocke gäbe. Ihre Kommando-Stimme lässt mich gewissermaßen im Bett stramm stehen und erinnert mich daran, dass es heute für die Burg-Geister ja ein besonderer Sonntag ist:




Denn am Übergang vom Juli
zum August schlägt sie wieder zu
die Gourmet-Gemeinde.

Cena in Piazza:

zweierlei Zucchini-Blüten (fritiert und gefüllt), Vitello tonnato, Tarte verde mit Trombette beziehungsweise Mangold  Sardinen im Bierteig, Nudelsalat tiepido mit Auberginen und Peperoni, drei Paste al Forno. Aber der absolute Höhepunkt war diesmal das Kuchen-Büffett: Die Schoko-Sensation Salame dolce, ein Karotten-Kuchen von einzartiger Fluffigkeit, eine Schweizer Aprikosen-Tarte, ein Hauach von Mandelkuchen und direkt vom Garten in den Backofen eine noch warme Quiche aus Weinberg-Pfirsichen ( Saturnine)...

Donnerstag, 27. Juli 2017

Acqua Azzurra

Juli und August sind beliebte Monate für allerlei Kunst. Am Seine-Kai in Paris liegt zum Beispiel ein täuschend echter, gestrandeter Wal, der sogar "fischelt". Auf der Documenta in Kassel ist bis zum September ein Parthenon aus verbotenen Büchern zu bestaunen.

Hier in Ligurien lässt sich die Doppel-Gemeinde Imperia auch nicht lumpen. Zum Festival der zeitgenüssischen Kunst verfärbte sicb pünktlich das Wasser der Fontana an dser Piazza Dante. Er wurde aber deswegen  nicht gesperrt, und ich habe das Bild auch nicht  manipuliert. Die Piazza ohne Verkehrs-Stau?  Das gibts doch gar nicht!

Doch! Bei 32 Grad im Schatten fand hinter mir unter den Arkaden Dantes Inferno statt. Der Rest der geplagten Menschlein bruzelte entweder am Strand oder mampfte pünktlich um eins Mamas Pasta.


Mittwoch, 26. Juli 2017

Ugo, der Erinnerer

Da sind die meisten Menschen drauf, die meine Briefe mit ihrem Leben erfüllen. Ihr wisst ja, dass ich keine Klarnamen verwende: wegen der Quellen-Sicherheit, aber auch zum Schutz der Dargestellten.

Heute mache ich eine Ausnahme, weil er mit 93 eine direkte Erwähnung verdient: Ugo, definitiv der beste Burg-Geist, den man sicb wünschen kann. Er ist der Hahn im Korb mit Pokal und Sonnenbrille. Die muss er tragen, seit ein heimtückischer Virus in den vergangenen Monaten sein Auge angegriffen hatte. Aber der Ugo lässt sich nicht unterkriegen.

Gestern wurde der Viel-Geehrte ein weiteres Mal für sein Mäzenatentum ausgezeichnet. Da reiste sogar der vorgesetze Priester unseres tamilischen Pfarrers auf seinem Motorroller an, um sein Werk zu segnen.

Ugo, der ehemalige Professor vom Polytechnikum, setzt seinen ganzen Unruhestand und beachtliche Teile seines Vermögens ein, um die Erinnerungen an die Geschichte seines Heimat-Dorfes am Leben zu erhalten.

Er steht dem Kunstverein bei, schreibt Broschüren über den Einfluss der einst hier waltenden Nobilita, und er hat aus dem ehemaligen Kinder-Asyl eine zauberhafte Bibliothek gemacht. Aber am wichtigsten ist sein  enormer Beitrag zur Instandhaltung der historischen Kirchen.

Gestern war die mehr als 500 Jahre alte Kirche an der oberen Piazza im Zetrum des Dorf-Interesses. Nachdem Santa Anna im Laufe der vergangenen Jahre von außen wieder propper hergerichtet wurde, hat Ugo dafür gesorgt, dass ein altes Altar-Gemälde, das aus irgend einem nicht bekannten Grund schwarz übermalt oder gar rücksichtslos zugerußt worden war, freigelegt und restauriert wird. Die Kreuzigungs-Szene und die Engel im Himmel sind schon parziell wieder zu sehen.
Anlass genug, den großzügigen Ugo zum heutigen "Giorno della Santa Anna" in das Dankes-Gebet mit einzubeziehen.

Mancher mag sagen, dass das viel Aufwand sei - für eine Kirche, die nur zweimal im Jahr ihr Portal öffnet. Aber das muss ja nicht so bleiben, wenn der vermeintliche Geburtsort von Kolumbus dank Ugo vielleicht einmal Weltkultur-Erbe wird...

Wenn ihr das Foto durch Click aufblast, könnt ihr vielleicht auch die eine oder andere Person aus meinen Briefen  anhand meiner Schilderunge identifizieren.

Dienstag, 25. Juli 2017

In eigener Sache

Liebe Leute!
Ich habe wirklich alles versucht, um das gestrige Horror-Gewitter auch per Video im Blog zu dokumentieren. Seit auch mein Laptop den Geist aufgegeben hat, schreibe ich die Posts auf einem drei Jahre alten Tablet, was mit meinen Wurstfingern schon schwierig genug ist. Mir ist es leider nicht gelungen, auch die extrem auf zehn Sekunden gekürzten Takes zu posten...

Wenn eines von Euch Genies eine Idee hat, wie es doch gehen könnte, liefere ich nach.
Der Blogger

Montag, 24. Juli 2017

Nipoti

Nun ist es ganz sicher nicht so, dass ich die heißen Tage in den kühleren Räumen dazu nutze, meine mehr als peinlichen Lücken im Italienischen zu schließen.
Vielmehr geht mein Hirn vor lauter Faulheit  wegen chronischer Unterbeschäftigug von selbst auf Wanderschaft.

Zum Beispiel wenn nahezu jeden Nachmittag der in einem Pflegeberuf tätige Neffe von Don Marino hier hochklettert, um den 94jährigen, der nur noch selten aus dem Haus kommt, zu  versorgen. Ich finde das großartig, zumal ich die große Sippe vor ein paar Tagen bei Da Maria beim Festessen erleben durfte: lauter gelungene Menschen mit einer Mama als Oberhaupt, die in puncto natürlicher Eleganz und Schönheit sogar Madame Lagarde in den Hintergrund drängen würde.

Alles Erbschleicher sagt die Dorf-Fraktion der anderen - natürlich im Streit lebenden - Verwandtschafts-Sippe, die auch nicht gerade im Ruf steht, das kleinste Fitzelchen an Erbbarem auszulassen. Was umso erstaunlicher ist, da beide Sippen in puncto Haus- und Grundbesitz unschätzbar reich sind. Da passten die ebenfalls enormen Latifundien von Don Marino eben auch noch gut ins Portfolio...

Bei dem kinderlosen Don Marino ist das mit dem Nipote einfach. Er ist also ein Neffe, wie auch der Nipote unserer Seelensammlerin, der sich aber gewiss nicht aus Habsucht so rührend um die Schwester seiner Mutter kümmert. Fabrizio ist einfach so. Es macht ihm auch nichts aus, uns seit Jahren zum gleichen Vorzugspreis mit Öl und eingelegten Oliven zu versorgen. Wir seien seine Marketing-Abteilung, erklärt er.

Aber gerade war Marina mit ihren süßen und lebhaften Enkelchen auf der Piazza. Ihren Nipoti! Und zwar einer Nipota und einem Nipote. So einfach wie hier auf dem Castello mit seinem Nepotismo (Vetternwirtschaft) ist es im Alltagsleben sonst aber nicht, wenn man keinen Einblick in die Familien-Verhältnisse hat.

Wenn einer seinen Dito gebrochen hat, muss man  auch nachfragen, ob es sich um den Zeh oder den Finger handelt. Auch hier macht die Vokabel selbst keinen Unterschied

Seltsam, was einem bei der Gluthitze so alles durch den Kopf geht...



                           Heimlicher Großgrundbesitz soweit das Auge reicht.

Samstag, 22. Juli 2017

Donner-Delirium

Wenn die Welt von Wirrköpfen regiert wird, ist es doch auch kein Wunder, dass sie von wirrem Wetter und  sich rächender  Natur heimgesucht wird.

Vorgestern musste Nachbar Paul in die Heimat fliegen, weil die Unwetter im Westen Deutschlands seinen Keller überflutet hatten. In der Ägäis wurden  die Urlauber von Beben aus den Betten geschüttelt, während Italien von einer Trockenheit heimgesucht wird, die in keinner der alten Aufzeichnungen zu finden ist:
Der Po ohne Wasser, Sizilien seit einem Jahr ohne nennenswerte Niederschläge. Der Impero, unser Tal-Fluss, der im Frühjahr noch Brücken und Autos mit sich riss, besteht nur noch aus ein paar Pfützen.

Nicht nur die Ernte hier ist in Gefahr, sondern die gesamte Wasser-Wirtschaft.

Zum Hohn blitzte es gestern abend über dem Gebirge wie im Stahlgewitter.
Hoffnungsfroh legte ich mich in die Kissen und beobachtete das Spektakel. Im Halbschlaf-Delirium hörte ich sogar den Donner heran rollen, aber das war nur der Doppler-Effekt sich überm Tal begegnender Urlaubsjets: die einen im Landeanflug auf Nizza, die anderen im Steigflug einer feuchteren Heimat entgegen.

Jetzt bleibt nur der unerschütterliche Glaube unserer Seelensammlerin. Im isabellenfarbenen Gewand stand sie an der Fontana, den schweren, vollen Eimer am Arm ohne Protese, zeigte stumm auf alle Zierpflanzen rund um die Piazza und wies dann mit dem gesunden Arm dorthin,  von wo Il Signore schon alles richten wird.

Ihr Glaube versetzt Berge. So glaubt sie nämlich, wenn sie im Haus nur das Gratis-Wasser der Gemeinde verbraucht, ein Vorbild des Wassersparens zu sein...
       Mein Aquqrell aus vergangenen Tagen: Gewitter über Porto Maurizio

Mittwoch, 19. Juli 2017

Toten-Glocken

Mögen wir mit zunehmendem Lebensalter über den Tod nachdenken? Wenn ja, dann doch nur im Geheimen. Nacht für Nacht, ob alles bedacht wurde...

Im Dorfleben mag der Stadtmensch vieles verdränge wollen - so wie meinereiner, der sich täglich dabei ertappt, wie er den Horror der weltweiten Nachrichtenlage weiter in den Hintergrund drängt.

Aber im Dorf-Funk, in dem jede Nachricht vom obersten Stock hinunter in die tiefste Gasse mit den durchdingenden Kopfstimmen ausgetauscht wird, kannst du dich einfach nicht ausblenden. Im Halbschlaf magst du dir vorgaukeln, dein Italienisch reicht ja ohnehin nicht, um das wie vom Maschinenvewehr abgefeuerte, schnelle Geschnatfer der Donne zu  verstehen:
Funerale, matremonia, tragico morte, povera vedova - das alles drängt ins Unterbewusstsein und wird dort ohne Zusammenhang übersetzt.
Ist es nicht normal, dass in einer Gemeinde, in der die Menschen weit älter werden als im europäische Durchschnitt, auch mal die Toten-Glocken durchs Tal wummern?

In diesem Halbjahr haben wir sie öfter gehört als sonst. Jede  Gemeinde hat da ihre spezielle Dramaturgie für die Campanologie. Unsere beginnt mit einem Wirbel verschiedener kleinerer Glocken, der wohl das  bewegte Leben der oder des Verstorbenen symbolisieren soll. Dann gibt es eine Pause, und nun erklingt die traurig tonierte  Toten-Glocke in der sich hinziehenden Zahl der Lebensjahre, die ganz am Schluss dann immer leiser ausklingt...

Gestern, morgens um Acht, schlug die Glocke der Nachbar-Gemeinde. Dumpf, quasi trostlos, zehn Minuten lang, übertönte sie sogar unser Stunden-Geläut und erzeugte eine echte Gänsehaut. Muss - wie in Bayern  geasgt wird -  a große Leich gwesen sein

Bei all den Ritualen kommt mir als Agnostker der kätzerische Gedanke:
Wenn es das Leben nach dem Tod doch gibt, wieso fällt der Abschied vom irdischen Dasein immer so schwer? Müsste der Tod nicht ein tröstender sein wie auf meinem Aquarell?


Montag, 17. Juli 2017

Gourmet-Gemeinde

Eine Woche überragender Sex...










La Festa delle Erbe in Cosio di Arroscia findet alljährlich mitte Juli an einem Sonntag statt. Für die Burggeister ein Pflicbt-Termin. Nach  einer genussvollen Gourmet-Woche war das ein gelungener Abschluss. Denn die "Trattoria Da Maria" ist zwar längst kein





Geheim-Tipp mehr, aber das hindert sie nicht daran, immer wieder eins drauf zu setzen. Mal sehen, ob ich von oben herab noch alles zusammen bekomme.

Zum Appetit anregen (?) leicht ausgebckene Teig-Kroketten mit einer Zwiebel-Marmelade zum Hineintauchen. Dann echtes Vitello Tonnato. Gefolgt von gegrillten Zucchini-"Spaghetti" mit frischem Käsebruch. Tartar mit Alphasprossen. Bruschetto mit aufgegrilltem Parmesan. Frittierte Blätter mit Apfelschnitzen und Lavendel-Knospen. Mangold-Souflee mit Porree-Schaum. Kürbis-Törtchen. Gebackene Teig-Rouladen mit Gemüsefüllung. Auberginen-Risotto. Arrosto mit Salat. Kaninchen in Gemüseragout. Frischkäse-Tiramisu gefolgt von Semifredo Pannacotta an Schokolade. Das alles mit Wein, Wasser, Schnäpsen und Espresso inklusive für 30 Euro pro  Nase. Da kann keiner meckern!

Als ich selbst noch jünger war, habe ich den Spruch, dass gutes Essen der Sex des Alters sei, immer gehasst. Aber aus diesem Blickwinkel muss ich bekennen, dass wir mit unseren zum Teil noch älteren Feunden eine Woche mit geradezu überragendem Sex hatten.

Demnächst mehr von den nachbarschaftlichen Gourmet-Woche auf diesem Blog...








Freitag, 14. Juli 2017

Die putzende Polizei

Dieser Tage kam die Seelensammlerin ohne Protese große Eimer schleppend zur Fontana. Als hätte sie sich mir gegenüber zu rechtfertigen gehabt, verriet sie:
"Mia casa  ha disparato bisogno di la pulizia!"
Ich saß mit meinem Morgen -Kaffee auf der Bank. Mein Matsch-Hirn war also noch nicht richtig hoch gefahren. Bis ich kapiert hatte, dass sie von ihrem Hausputz sprach, war ich ebenso desparat die Polizei-Struktur meines Gastgeber-Landes durchgegangen. Wir haben hier oben ja eigentlich nicht oft " bisogno di la polizia".
Einmal, als die mit Besenstiel und Schlachtbeil beweherte Nachbarschaft unsere gellend um Hilfe schreiende Socialclub-Barfrau, Signora Girasole, vor einem Einbruch bewahrte, kam die Polizei erst drei Stunden später...

In den Krimis,  die in Italien spielen, gleichgültig von welchem Autor, kann der Leser schon die verwirrende Struktur der Ordnungskräfte erahnen. Verlässlich sind aus meiner Sicht da am ehesten  Andrea Camilleri dessen Montalbano ja auf Sizilien einen permanenten Zustädigkeitszwist mit der der Mafia nahe stehenden Carabinieri auszufechten hat, und die Helden des Autoren-Duos Fruttero und Lucentini.
Die bei uns megaerfolgreichen Dona Leon und Veit Heinichen hingegen sind in Italien weitgehend unbekannt, weshalb sie auch stets mit deutschem Personal verfilmt werden.

Dass die Italienischen Polizei-Organe derart verwirrend strukturiert sinď und jede Organisation einem anderen Ministerium untersteht, zeigt in Wirklichkeit, dass aus der Mussolini-Zeit in der bestehenden Verfassung gelernt wurde. Kein Bereich wäre in der Lage, von sicb aus politisch wirkungsvoll Partei zu ergrekfen.

Der Beitrag auf Wikipedia zu diesm Thema macht einem einiges klar, allerdings fehlt da wohl die kürzliçh eingericbtete "Polizia per poste e telecomunicazione", die sich vor allem der wachsenden Zahl von Cyber-Kriminalfällen widmen soll.

Montag, 10. Juli 2017

Wunder-Wasser

Es ist immer wieder erstaunlich, wie unser Gastgeber-Land mit Wasser umgeht. Einerseits hat und hatte es immer so viel davon, dass es in Brunnen und Wasserspielen dem ewigen Fließen huldigte, andererseist wird auf dem Stiefel auch jeglicher Dreck, Unrat und Sperrmüll dem Wasser zum Transport überlassen.

Keine Frage, das hat sich inzwischen in Zeiten der Mülltrennung - auch auf der Burg - - deutlich gewandelt.  Noch immer sind die Spuren der Frühjahrs-Hochwasserfluten in den Gebirgstälern zu sehen: Riesige Geröllhalden aber kaum noch Müll dazwischen.

Gestern also haben uns unsere Nachbarn Paul und Paula auf einen Ausflug zu ihrem Lieblings-Restaurant "La Tramontana" hoch in die Berge hinter den Nava-Pass mitgenommen. Zu diesem Ausflug gehört auch ein Stopp an der Brücke von Ponte di Nava. Der einst als Geheimtipp geltende Spezialitäten-Laden mit seltenen regionalen Produkten ist Kult geworden. weshalb er am Sonntag-Vormittag derart frequentiert ist, dass in der klaustrophobischen Enge kaum noch Luft zum Atmen bleibt.

Ich meide ihn noch aus einem anderen Grund, weil er mir mal begaste Steinpilze als Piemontesische verkauft hat und mir verboten hatte, sie zwecks Inspektion anzufassen... Begasten Pilzen - ein Tipp - fehlt das zur Größe  passende  Gewkcbt, deshalb werden sie gerne zum Fixpreis in dekorativen Körbchen verkauft.

Aber seither nutze ich die Einkaufszeit der Damen zur Kontemplation vor der kleinen Kirche nebenan, vor der ein Engel aus einem Kreuz auf seiner Brust permanent  ausgezeichnet schmeckendes Wasser sprudeln lässt. Unsere fast heilige Seelensammlerin, die ja auch in der Trockenzeit Wasserwartin ist, würde ob dieser Verschwendung vermutlich vor Ehrfurcht nieder gestreckt.

Seitlich hält der Engel zwei Schilder auf denen übersetzt stebt:
"Wer von dieser Quelle trinkt, hat keinen Durst mehr." Ob viele diese Botschaft als Hinweis auf Wundersames missverstehen?

Jedenfalls jeder, der in Ponte di Nava hält, nimmt einen Schluck, füllt seine Trinkflasche nach oder besorgt sich einen Wochen-Vorrat in Kanistern.

Da konnte auf dem Rückweg vom Essen auch Paul nicht widerstehen, leere Flaschen aufzufüllen. Nach vier Flaschen Wein und ebensoviel Sprudelwasser wollte er einfach keinen Durst mehr naben...

 Fotos: Paolo Fioriachi

Donnerstag, 6. Juli 2017

Einfach stecken geblieben

Die "Imperialen Verkehrswege" beherrschen  zu wollen, war von jeher Titanenwerk. Daran hat auch die Autobahn nichts geändert. Der Verdacht liegt sogar nahe, dass die Ableitungen  von ihr die Planer nach vollendeter Draufsicht schnurstracks in die nun schon lange leerstehende Nervenklinik von Costa-Raineri gebracht haben...

Für nix und wieder nix. Seit meiner Jugend  sind in Oneglia und Porto Maurizio zu bestimmten Zeiten Staus angesagt, aus denen es auch für Eingeweihte kaum ein Entrinnen gibt. Aber seit es die Impero-Überbauung für den neuen Bahnhof gibt, haben PKWS bergan auf dem rechten Flussufer zumindest die Chance, dem chronischen Doppelstau in Richtung Piazza Dante zu entgehen: Eine Einbahnstraße unter der alten Bahnstrecken hindurch.

Heute hat ein ungeduldiger Berufskraftfahrer in seinem 7,5Tonner ganz offenbar seine Fahrzeug-Höhe im nervenden Stau vergessen und ist volle Pulle in die Unterführung, die aber nur 2,80m hoch ist...

Die Aussicht auf das bevorstehende endgültige Verkehrschaos ließ die Fürsorglichste sofort in den Gegenstau drehen, und so erlebten wir innerhalb von ein paar Minuten das Wunder von Imperia:

Tief geduckt wie beim Sprint von Mailand-Sanremo rauschte zwischen den Kolonnen ein schwarzer Blitz auf seinem Sport-Mountainbike heran und teilte wie einst Moses die Fluten. Sein schwarze Rennkleidung talleine hätte ja schon Respekt abgenötigt, aber der Schriftzug "Policia Locale", das Funkgerät und die Waffe taten ihr Übriges.
Rabiat wartete er nicht, bis der Unglücksfahrer etwa die Luft aus den Reifen gelassen hätte. Er nötigte ihn ungeduldig, mit Schwung wieder rückwärts zu fahren.
Der Dachschaden war überschaubar, der Strafzettel aber vermutlich gesalzen.

Wir jedoch konnten mit nur drei Miuten Verspätung unseren Schleichweg benutzen...
Es leben die Imperialen Polizei-Radler!

Montag, 3. Juli 2017

Healthfood folgt auf Casareccia

Für mehr als einhundert Jahre war das "La Patria" an den Güterbahn-Gleisen im Hafen von Oneglia die Anlaufstelle für unverfälschte Ligurische Gastfreundlichkeit. Als die Gleise  noch lagen, und der Hafen mit seinen Kränen auch am nördlichen Kai eine industrielle Romantik vermittelten, leuchtete das Schild "Seit 1897 originale Küche"  bis hin zur Capetanaria.
Dann verlor der Hafen seine Bedeutung und seine Funktion schrumpfte auf den Westkai, wo gelegentlich Frachter Oliven-Granulat aus Nordafrika löschen oder Megajachten, die wohl immer noch preiswerten Liege-Gebühren nutzen.
Mit dem Wandel zur Zona Divertimento und der immer stärkeren Kokurrenz zu den Jachten passender Restaurants wurde das "La Patria" im wahrsten Sinne des Wortes in die Ecke gedrückt.
Heute sind wir dankbar, dass wir das Ende seiner Blütezeit noch miterleben durften. Die Zuppa di Pesce kam in riesigen Pfannen aus poliertem Stahl mitten auf den Tisch und trug uns mit ihrem Duft aufs Meer hinaus. Das ureigene Rezept für die Spaghetti alle Vongole Verace habe ich dem alten Chef geklaut.  Er schwitzte mit dem Sud der Muschelm auch noch vorgekochte und klein gehackte Tentakel von Totani und Kalamari an.

Diese lange Einleitung war ich der Trattoria schuldig. Die drei Nachfolger-Wirte versuchten mit veränderten Konzepten und höheren Preisen den verlorenen Boden wieder gut zu machen, dann verstarb das "Vaterland". Zwei Jahre oder länger starrten einen verschmierte Fenster an.
In diesem Frühjahr sahen wir an gleicher Stelle auf einmal ein neues Restaurant, das an Wochentagen mittags voll von jungen Leuten war. ORTO heißt  das neue Restaurant und wirbt mit Healthfood. Was das Publikum erklärt. Junge Männer mit   Sackbärten,geknöpfte T-Shirts und Hosenträgern an den Jeans. Junge Frauen mit u halbseitigen Udercut-Frisuren im Gipsy-Styling. Das ganze sah aus wie der Set für einen Hipster-Film.
Wir haben uns nicht getraut, uns dazu zu setzen.

Am vergangenen Samstag war Orto bis auf einen Tisch leer. Bei so heißem Wetter  ist das von drei Seiten umwehte Schatten-Eck mit dem tollen Blick auf den Hafen ideal. Die Fürsorglichste sagte:  "Da gehen wir jetzt hin!"
Ich meinte: "Du hasst doch dieses Ultimative."





Und dann  saßen wir da und schauten auf eine bunte Karte von einem anderen Stern Das noch junge Personal war lässig, aber so alte Gäste wohl nicht gewohnt. Die Frage, ob ich wohl was frisches Biofischiges haben könnte, wurde mit staunendem Unverständnis aufgenommen. Hinzu kam die junge Frau vom Wirt samt zweijähriger Tochter auf dem Arm, die uns 2 mit Seifenblasen befeuerte. Mehr und mehr gefiel mir dieses Restaurant, obwohl sie meinte, Fisch und Fleisch gäbe es nur am Abend.
Aber ihr Marito käme gleich. Und da kam er Fuß-Sack mit Zwirbel-Bart. Ein Abbild seiner Kundschaft? Mitnichten. Es stellte sich heraus, dass er der Sohn der weitberühmten Kräuterhändlerin aus Oneglia - also vorbelastet ist.  Und ja, er werde mit dem Chef reden, ob ein Vorgriff aufs Abend-Menü denkbar sei.

Sekunden später kam er wieder. Ob denn Spaghetti mit Gamberi Rossi di Sanremo genehm seien? Und weil der Chef wissen wollte, wie der hartnäckige Gast die Offerte aufnähme, schaute er gleich selbst nach.
Ich machte den Daumen hoch für das angemessene I like, denn auch der Chef hatte einen Stylisten-Fußsack und Designer-Kochklamotten an.

Dann Ging es ans Bestellen: Meine Frau war weniger kompliziert und bestellte, was ihr vorgeschlagen wurde; große, aus Bio-Produkten hausgemachte Pasta in Muschel-Form (Conchiglie) in Pesto Genovese - also mit grünen Bohnen und Kartoffeln. Als ahnte sie, dass sie die riesige Portion, die dann kam, nicht schaffen würde, orderte sie keine Antipasti.

Ich war weniger zurückhaltend und nahm die empfohlene Buddha Bowl als Vorspeise zu den Sanremo-Gamberi. Buddha-Bowling for the big Buddha?

Es kam eine tiefe  Schüssel, die vom Aussehen her all meine  Befürchtungen übertraf:
fein geraspelter Rotkohl, gebratene Tofuscheiben, Kichererbsen, gekochter Bulgur-Weizen. Alles schön sauber getrennt, damit auch jede Bio-Komponente zu sehen war.
Aber  dann stellten sie ein Olivenöl der Extraklasse dazu. Schon beim Untermischen entwicklete sich ein Duft, der dann vom Geschmack des Ganzen noch übertroffen wurde. So schnell lösen Geschmacks-Knospen Vourteile auf.
Auch, wer gedacht hat, Pasta Pesto schmecke immer gleich, wäre überrascht gewesen. Den Unterschied machten allein schon die selber gemachten Riesen-Conchiglie. Sie hatten eine nussig aromatische Bissfestigkeit,  die viel Oberfläche für einen ehrlichen Kräuter-Geschmack boten. Ich musste der Fürsorglichen helfen,
Dennoch schaffte sie den Superbowl nicbt.

Für 18 Euro kamen meine Spaghetti mit dieser ausgemachten  Meeres-Kostbarkeit.
Die Roten aus Sanremo sind von Haus aus ohne Kochen rot. Gourmets schätzen den rohen Geschmack dieser Tiere,  die vorne am Kopf wie am Schwaz fedrige Flossen haben. Ich bekam beides. Den Sud aus den Karkassen und ein japanisch filettiertes, rohes Exemplar on top. Küchenmeisterliche Performance!

Das Teuerste am Essen war ein Vermentino von der umfangreichen Bio-Weinkarte, der geschmacklich den Speisen und der Hitze ideal temperiert angepasst war.
Kann man durchaus empfehelen