Freitag, 25. September 2015

Selbstversuch mit Sarago

Einer der klassischen Speisefische Italiens, der Sarago, hat es in letzter Zeit zu sehr negativem Medien-Ruhm gebracht. Von den Top-Ten der Köche mit einem Preis von bis zu 30 Euro pro Kilo ist er auf 15 abgerutscht. Grund ist eine mysteriöse Infektion, die das Fleisch der Brasse bisweilen gelb verfärbt und ihm bei der Zubereitung eine gummiartige Konsistenz verleiht.

Um sicher zu gehen, wird der Sarago der meistens als Portionsfisch angeboten wird, von den Fischern vorgeritzt. Trotzdem sollte man sich ihn - auch im Restaurant - vorher persönlich ansehen.
Anders als sein Vetter, der Dentice (Zahnbrasse) hat der Sarago immer durch sein festes Fleisch einen besonderen Geschmack angesprochen. Vor langer, langer Zeit hat auf einem Club-Buffet in Sizilien ein Riesen-Exemplar mit entsprechend Furcht erregenden, großen Gräten gelegen, um das die ausländischen Gäste einen Bogen gemacht hatten, aber auf das sich die Italiener mit Begeisterung gestürzt hatten. Also hatte ich es ihnen nachgemacht, und mir ein paar Kotelett große "Lamellen" auf den Teller geladen. Mit Zitrone, Öl und leicht gesalzen, war das ein außergewöhnlicher Genuss.

Mein Fischer-Socio Paolo offerierte uns mal in seinem Strand-Restaurant in San Lorenzo von einem ebenfalls großen Exemplar, das er gerade gefangen hatte, rohe Scheiben - wie wir meinten - zum Abzocker-Preis. Bis er uns erzählte, dass so eine Portion in San Remo über 30 Euro als Vorspeise koste.

Gestern also ging ich - wie ich das ungezogener Weise immer mache - bei unserem favorisierten Grill-Restaurant am Hafen zum Küchen-Eingang und ließ mir vom Capo infrage kommende Fische zeigen. Darunter ein Sarago mit vorgeritztem Schuppen-Kleid durch das man herrlich weißes Fleisch schimmern sah. Ich konnte nicht widerstehen, und um dem Fass die Krone mitten ins Gesicht zu hauen, bat ich, ihn al ligure zu zubereiten; also im Ofen mit gleichzeitig gegartem Gemüse - in einem Grill-Restaurant (!?).

Der Fisch kam so perfekt zubereitet auf den Tisch, dass all die großartigen Erinnerungen an seine von mir mit Genuss verspeisten Artgenossen schlagartig wieder präsent waren. Selbst die "Zweitbeste", die lieber mit einem Branzino vom Grill auf Nummer sicher gegangen war, verdrehte bei einer Kostprobe die Augen.

Ein gelungener Selbstversuch mit Sarago also.
Hier ein letztes Foto von ihm:


Dienstag, 22. September 2015

Preis oder Lohn der Freiheit?

Obwohl ich mir durchaus bewusst bin, dass ich den begnadeten deutschen  Generationen angehöre, die ihr Leben in absoluter Freiheit führen können, stelle ich die Bedeutung dieses Begriffes angesichts der Weltgeschichte immer wieder in Frage.

Zu viele Menschen sind im Laufe der Zeit durch den gewaltsam erstickten Schrei nach ihr ums Leben gekommen. Selbst wenn sie - für wen auch immer - obsiegt haben, wie lange hat diese "Freiheit" dann gehalten?

Die, die Bastille erstürmt und den Blutrausch der Guillotine überlebt haben, mussten miterleben, wie ein paar Jahre später die Grande Nation durch einen kleinen, größenwahnsinnigen General wieder zum absolutistischen Kaiserreich wurde.

Der Bürgerkrieg der USA sollte die Sklaven befreien und Menschen aller Hautfarben die gleichen Rechte bescheren. Bis heute wird diskriminiert und auf offener Straße illegitime Polizei-Gewalt gegen Farbige ausgeübt.

Die Russen, die Glasnost und Perestroika erleben durften, werden wieder von einem kleinwüchsigen, machthungrigen Mann zur scheinbar alten Größe der glorreichen SU verführt. Dabei reichte es schon, dass sich ein paar Gewaltbereite auf der Krim nach ihrer "eigenen Freiheit" sehnten.

Auch als nach dem Deutschen Kaiserreich mit dem demokratisch gewählten Reichstag die deutsche Demokratie Gestalt annehmen wollte, dauerte es mal gerade anderthalb Jahrzehnte, bis der schnurrbärtige Gröfaz die Welt ins Unglück stürzte.

Und hätten die Garibalidi-Anhänger ihren Kampf für die Einigkeit und Freiheit Italiens mit der Perspektive geführt, dass Mussolinis Machtrausch der Demokratie Bella Italias wieder den Garaus macht?

Die bis heute in Blut getränkten, verfehlten Freiheiten Südamerikas erspar ich mir, um endlich zum Punkt zu kommen.

Als Ungarn vor dem Mauerfall die Grenzen für die Flüchtlinge aus der DDR öffnete, wurde damit der Eiserne Vorhang zerrissen und die Wiedervereinigung Deutschlands eingeleitet. Dieses ungarische Volk, desse Feiheitswillen 1956 von russischen Panzern überrollt wurde, ist in der Folge seiner demokratischen Entwicklung nun wieder näher an die alten Verhältnisse gerückt.

Flüchtlinge sind doch  in erster Linie Menschen, die Krieg und anderen untragbaren Verhältnissen daheim mit aller Kraft entrinnen und irgendwo Unterschlupf finden wollen, wo sie unbehelligt überleben können. In zweiter Linie sehnen sie sich nach geregelten Mahlzeiten, einem sicheren Dach über dem Kopf  und Sicherheit für ihre Kinder, die sie mit dem Ertrag eigener Arbeit groß ziehen möchten. Erst an letzter Stelle kommt dann die Freiheit. Wer gibt schon gerne seine Heimat auf?

Das derzeitige Phänomen ist ja nicht neu. Die USA hätten ihren beispiellosen Erfolg nicht erzielt, wenn ihnen nicht Millionen Flüchtlingen aus aller Welt bis heute in einer Art Schatten-Wirtschaft geholfen hätten. Liberty Enlightening The World, war dabei eher ein romantischer Paradigmen-Wechsel. Die Menschen erhofften sich einfach ein besseres Leben. So wie die Flüchtlinge, die nun in die vereinigten Staaten von Europa kommen.

Wenn die EU nicht scheitern will, muss sie eben ihre Maßstäbe verändern. Zwar gibt es nicht soviel Platz hier wie in den USA, dafür aber Potenzial.

Nehmen wir allein einmal die 60 Millionen Tonnen an Lebensmitteln, die in der EU alljährlich ungenutzt vernichtet werden. Die Milch- und Butter-Schwemme; Obst und Gemüse, das zur Stabilisierung der Marktpreise untergepflügt werden muss...

Und dann Ernten, die infolge von fehlenden Erntehelfern nicht eingebracht werden können.

Nicht nur hier oben in den Valli dell'Olio gibt es in solchen Regionen in den Dörfern  permanente Leerstände von Häusern; auch in Osthessen, Unterfranken oder den "blühenden Landschaften", die Dr. Helmut Kohl einst den "neuen Bundesländern" versprochen hat. Es wäre alles nur eine Frage der selektierten Verteilung. Es wäre eine Rückbesinnung der IT-Industrie-Gesellschaft auf die Ursprünge des Lebens.

Wenn Europa überleben will, dann kann es das gerade mit den vielen Flüchtlingen, weil sie uns aus der alles normenden Trägheit befreien und uns zwingen werden, mit Toleranz und Aufgeschlossenheit konzertiert unsere Ressourcen zu nützen. Dafür muss die Verteilungsstruktur, die sich allein auf Unterbringung und Versorgung konzentriert, erweitert werden.

Seien wir doch einfach so frei!

Freitag, 18. September 2015

Verloren im Irrgarten der Tele-Kommunikation

(Nicht ganz angemessene Satire in schrecklichen Zeiten)

Neulich erfuhr ich - aus dem Internet natürlich - dass das Porträt unserer Kanzlerin bei vielen Flüchtlingen auf den Smartphones als Startseite dient. Dieser Angela-Kult ist aus zweierlei Sicht bemerkenswert: Einerseits stimmt es hoffnungsfroh, dass Flüchtlinge ein Smartphone dabei haben, damit sie nicht gänzlich verloren gehen. Andererseits ist die Eiserne Kanzlerin ja unübersehbar eine Frau, die im arabischen Raum ja so wenig zählt, dass "Muselmann" ihr noch nicht einmal die Hand geben mag, und ihr das Autofahren und das Sitzen am Tisch untersagt. Unsere Kanzlerin dürfte dort ihre vielfarbigen Blazer ja nur unter der Burka tragen, und müsste sich um ihre "Lord-Helmchen-Frisur" wegen des obligaten Schleiers keine weitere Gedanken machen...

Satire war ja in schrecklichen Zeiten schon immer ein fragwürdiges Ventil. Aber ich kann mich gegen ein paar aufsteigende Fragen einfach nicht wehren, obwohl ich weiß, dass das GPS im Handy durchaus Leben retten kann. Zumal, wenn man irgendwo plötzlich auftauchenden Zäunen ausweichen muss und lieber durch trockene kroatische Maisfelder stapft, weil da vielleicht keine Minen mehr aus dem Balkan-Krieg vor zwanzig Jahren (!) liegen. - Sonst hätte sie ja der Bauer beim Pflügen schon ausgelöst.

Verzeiht mir also die Fragen.
Was für einen Provider habt ihr? Wie ladet ihr eure Geräte dauerhaft auf? Und die wichtigste: Werdet ihr sobald ihr die Grenze überquert auch dauerhaft mit Willkommens-Grüßen genervt.
Ich stell mir gerade vor, wie - wenn ihr es gerade noch geschafft habt,  durch den ungarischen Grenzzaun zu schlüpfen - das Cooperations-Netz eures Providers euch simst: Willkommen in Ungarn, wir bieten dir ein einmaliges Roaming an. Und wenn ihr schon längst von tätowierten Gulasch-Nazis einen über die Rübe bekommt, summt es wieder Willkommen, und dann mitten in einem Pferch, in dem ihr bei Bruthitze mit tausend anderen willkommen geheißen wurdet...

Das Schlimme ist leider, dass ich mich nicht nur für euch über diesen Erinnerungs-Terror aufrege, sondern auch für uns auf der Burg - obwohl wir wirklich wie die Maden im Speck leben. Der Empfang hier mag so schlecht sein, dass man für Tablet und Smartphone ewig lang suchen muss, um ein halbwegs funktionierendes Netz zu bekommen. Aber die schaffen es trotzdem immer wieder einen mit Nachrichten zu bombardieren und pfeifend oder summend auch mal mitten in der Nacht auf eine Aktualität aufmerksam zu machen, die unsereiner gar nicht wissen will.

Und wenn man dann entnervt aufgibt, weil man die Geräte wegen der Kinder und Verwandten daheim nicht ausstellen mag, dann kommt man in den Genuss dieser Segnungen, die in Deutschland ja unkompliziert upzudaten sind, nur indem sie versuchen, einem weitere persönlich Daten abzuzocken. Wehe du brichst das ab, dann hast du gleich wieder weiter neue Erinnerungen...

Zurück zu all den Flüchtlingen, die sich derzeit im Irrgarten der Tele-Kommunikation verloren fühlen: Haltet durch! Betet, dass sich eure Geräte nicht so schnell entladen wie die unsrigen und denkt an eure Verwandten in der fernen Heimat, auf deren Konten ja das Roaming geht, das in Europa trotz Union immer noch stattfindet....

Es wird und muss sich etwas ändern. Hier rund um die Burg werden die Oliven dieses Super-Sommers auf den Böden verfaulen, weil keiner der Alten sich die Erntehelfer leisten kann, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen, um den Preis schön hoch zu halten. Es sind genau diese Alten, die hier oben über jede Menge leerstehender Häuser verfügen...

Siehe meinen nächsten Post

Dienstag, 15. September 2015

Libeccio

Als es für diverse Seelen-Blähungen noch keine Psycho-Pharmaka gab, wussten die Alten hier in den Bergen noch wundersame Geschichten über die Auswirkungen dieses Südwestwindes zu erzählen.
Er brächte sowohl den Tod als auch das Leben.

Seinen Namen Libeccio erhielt der mystische Wind vom levantinischen Namen für Libyen, weil er genau aus der Richtung kam und bei höherer Geschwindigkeit roten Wüstensand mit sich führte. Ein guter Grund die Hausmauern in Ligurien rostbraun zu streichen oder den Naturstein nicht zu verputzen, denn wenn er ausnahmsweise auch Regenwolken aufstaut, dann sind hellere Tönungen bald hartnäckig rosa gestreift.

Wir jedenfalls haben unsere weiß abgesetzte Terrasse schon mehrfach neu streichen müssen, und das war gar nicht mystisch.

Schon bevor ich hier herzog, hatte ich vieles gelesen, in dem der Libeccio vorkam, denn wann immer fabelhaftes vorkommt, stürzen sich Dichter und Schriftsteller auf diese Geschichten, um deren Wunderlichkeit zu überhöhen.

Leben und Tod wurden dergestalt geschildert, dass während unter ihnen junge, unverheiratete Pärchen Liebe machten, über ihnen in den Kronen der Steineichen-Wälder die Leichen der Lebensmüden im Libeccio schaukelten...

Es wurde nie explizit erforscht, ob der Libeccio gerade im Herbst - wenn er besonders wirkungsvoll sein soll - zu mehr Geburten im Mai und Juni geführt hat oder gar die Suizid-Rate erhöht hätte. Es wird wohl so sein, wie mit dem Föhn in München der auch für allerlei Fehlverhalten verantwortlich gemacht wurde, ehe die Wissenschaft solchen Ur-Legenden den Wind aus den Segeln genommen hat.

Möglich ist, dass Druck empfindliche Menschen, sogenannte Wetterfühlige, vor allem diese Veränderungen wahrnehmen und auch den damit einhergehenden Temperatur-Wechsel nicht so gut verkraften. Der Rest wird durch die Phantasie gesteuert, und die sollte niemals unterschätzt werden.

Meine Empfänglichkeit, führt schon dazu, dass ich spätestens eine Viertelstunde, nachdem ich von den Symptomen einer seltenen Krankheit gelesen habe, sämtliche an und in mir entdecke. Da kann ich natürlich auch dem Libeccio nichts entgegen setzen.

Je nach Stimmungslage löst genau dieser Wind eine jubelnde Leichtigkeit in meiner Brust aus, während ich an manchen Tagen das Gefühl habe, die schwer gewordenen Luft nicht mehr einatmen zu können. Da ich ein Leben lang mit Depressionen und übersteigerten Hochs umzugehen gelernt habe, lasse ich den Libeccio einfach geschehen. Ja ich genieße ihn sogar. Ich beobachte, was er mit den Wolkenbergen anstellt und lasse meine übrig gebliebene Kreativität stimulieren. Das kann dann dabei heraus kommen:

Ich fuhr auf Wolkenschiffen

Wollt' ich Matrose werden.
Ward als zu leicht befunden.
Kein Leichtmatrose ohn' Gewicht!
Zog ich mit Wolkenherden
Und kam kaum über die Runden,
Denn Heuer wollt' ich nicht!

Aus Angst, ich würd' zu schwer,
Verzichte ich aufs Geld,
Heuerte an auf 'nem Wolkenschiff.
Segeln liebte ich doch gar zu sehr!
So ward ich zum großen Wolkenheld
wie die Welt zerschellt am Zeitenriff

Nun, unter vollen Segeln
Am blau geleckten Firmament
Treibt's mich Anker los dahin.
Verdammt von Kind und Kegeln
Und ohne wahres Testament...
Macht all das einen Sinn?

Wenn ja, dann doch nur den:
Wer selbst sich als zu leicht befunden,
Der darf sich nicht beschweren,
Wenn andere sich nicht unterstehen,
Ihm den Respekt noch zu bekunden
Und auch das Träumen ihm verwehren

Samstag, 12. September 2015

Der muntere Müllmann

Ganz Italien versinkt zur Zeit in Müll. Nur ein kleiner Burgberg, von dem weder die Gewerkschaften noch die Abfall-Beseitiger unter Maffia-Kontrolle je gehört haben, trotzt diesem Trend. Vor ein paar Jahren noch mussten sich die sauberen Burggeister manchmal schämen, wie es in den Gassen aussah:
Hunde-Kacke auf der Piazza, die die "Zweitbeste" entsorgte, Mülltüten, die nicht in die Tonnen, sondern aus Faulheit daneben platziert wurden.

Aber nun scheint ein Ruck durch den Borgo gegangen zu sein. Ein halbes Jahr ohne Hunde-Hinterlassenschaften und auch kein Müllbeutel in den Gassen. Vor einigen Jahren, wurden schon die Tonnen aus der Felsgrotte unter unserer Piazza verbannt, was wohl der Anfang für ein neues Müllkonzept der Gemeinde war. Jedenfalls sind wir jetzt selbst bei größter Hitze geruchsfrei. Den Sperr- und Sondermüll müssen die Alten auch nicht mehr im recht bürokratischen Verfahren zur Deponie im Tal transportieren, denn am jeweils letzten Donnerstag im Monat wird auch der entsorgt.

Zeit also, sich auf die eigentlichen Müll-Fragen zu konzentrieren, die jede Familie ja kennt: Wer bringt die Exzesse der italienischen Verpackungs-Industrie fort, wer geht mit dem Hund an der Leine in die Campagna und wer entsorgt das Katzen-Klo??? Zwei und drei müssen die "Zweitbeste" und ich in Ermangelung von eigenen Haustieren nicht mehr beantworten. Und um Frage Nummer eins, gibt es auch keine Diskussion mehr, seit reichlich Tonnen an der Außenwand der Kirche von der oberen Piazza aufgereiht sind.

Ich gehe freiwillig, die stark ansteigende Gasse hinauf, denn von allen schönen Wegen zum Müll, mit denen wir im Laufe unseres Lebens wahrhaft gesegnet waren, ist der mit Abstand der schönste und romantischste:

Erst geht es von der Piazza durch die Treppenbögen hinunter zur Gasse dann unter der Überbauung von der Burg hindurch, vorbei an einem geheimnisvollen Innenhof, dem man die gräfliche Grandezza von einst heute noch anmerkt. Weiter geht es im Zickzack  durch die winklige Gasse. Leider haben sich auf der Rückseite der Burg ein paar Kitsch-Romantiker mit dem verwirklicht, was sie für "stylisch" halten, aber da geht ja der Blick schon hinauf zur Santa Anna und ihrem Platz, der dank der Anwohner, die nicht hinter dem Burg-Platz zurück stecken wollten, in neuer Schönheit erstrahlt.

Der muntere Müllmann versenkt seinen biologisch abbaubaren Abfall-Sack trennender Weise in die richtigen Tonnen (auch das wird jetzt hier versucht), dreht sich um und wird mit einem grandiosen Blick auf den Bergfried belohnt. Der Rückweg bietet in umgekehrter Perspektive ein gänzlich anderes und noch schöneres Bild.

Hoffentlich ist der Eimer bald wieder voll...

Mittwoch, 9. September 2015

Konversation mit Kater

Nein, ich habe keinen Hangover. Bin vielleicht ein wenig depressiv, weil der Herbst hier nun doch überraschend schnell gekommen ist. Rund um die Piazza ist zur Zeit außer Vittorio und uns keiner daheim. Und Vittorio geht jeden Tag pünktlich, wenn ich Happy Hour habe zum Kartenspielen in den Hauptort hinunter.

Die "Zweitbeste" guckt sich da schon immer die zweihundertfünundzwanzigste Wiederholung der dreißigsten Koch-Show an. Also mache ich Konversation mit Kater Lazaro.

Ich bin ja mehr der Hunde-Typ. Katzen haben immer etwas von einer Art Frauen, um die ich in jüngeren Jahren mannhaft einen Bogen gemacht habe. Aber einerseits ist Lazaro  ja mehr Hund als Kater und andererseits ist er - wie ich -  ein "Stimmungsmensch". Soll heißen, wer ihn kennt, sieht ihm an, wie er drauf ist.

Als kleiner Junge habe ich auf den vielen Reisen mit meinen Eltern immer sofort Freundschaft mit allerlei sich herumtreibendem Getier geschlossen und konnte partout nicht einsehen, wieso ich sie dann nicht mitnehmen durfte. Tiere haben mir immer zugehört. Obwohl ich damals nur Deutsch konnte, war ich felsenfest überzeugt, dass Tiere mehrsprachig sind. Seit einer Begegnung mit einem in Deutschland ausgebildeten Drogen-Hund weiß ich allerdings, dass sie überwiegend die Sprache und Kommandos ihrer Ausbilder verstehen. Selbst die Deutschen Schäferhunde bei der Polizei von New York hören teils auf deutsche Kommandos, wie mir ein Freund, der früher bei der NYPD Narcotic Branch war, versicherte.

Wie erwähnt, muss Lazaro Schlimmes durch gemacht haben, bevor er Asyl bei Vittorio fand. Obwohl wir uns seit einigen Jahren kennen, bestimmt er die Kontakt-Aufnahme. Streicheln darf ich ihn ohnehin nur, wenn Vittorio auf der Piazza sitzt.

Normalerweise geht das so:
Er hört, wie ich die Haustür aufschließe und rast, ehe ich draußen bin, zu seinen Beobachtungsposten.
Er bezieht entweder starr wie eine Skulptur zwischen den Pflanzen-Kübeln auf der Brunnen-Mauer Position oder schmiegt sich getarnt an die Quader der Burg, die exakt die Farbe seines Fells haben. Schon mancher Hund ist knapp an ihm vorbei getrabt, ohne ihn zu sehen.

Sobald ich mit meinem Drink an dem kleinen Tischchen platz genommen habe, stelzt er lässig in die Mitte von der Piazza, und tut so, als hätte er mich gar nicht gesehen. Es folgt eine ausgedehnte Körper-Pflege. Wozu man bemerken muss, dass er jetzt wieder ein edles Fell hat, während er zur emsig genutzten Paarungszeit zerrupft und verfranst ausgesehen hat wie eine Pariser Clochard-Katze unter einer Seine-Brücke.

Dann zuckt er, als er ob er mich gerade erst entdeckt hätte und schreitet würdig ein paar Meter auf mich zu. Damit beginnt unser Spielchen: Ich recke mich - wie er zuvor - und gähne mit ganz schrecklich aufgerissenem Mund. Da Gähnen ja bekanntlich ansteckend ist, habe ich ein paar Sekunden später soweit,dass auch er gähnt und sich erst einmal zusammen rollt.

Natürlich habe ich immer Schnapper-Dönzchen für ihn auf dem Tisch, aber wenn ich etwas kaue, dann rückt er nicht deshalb ganz nah heran, sondern weil er weiß, dass jetzt das Gespräch beginnt.
Meist ist er bumperlsatt, und knabbert erst nach langem Riechen aus Höflichkeit.

Ihm geht es wirklich und ernsthaft in erster Linie ums Gespräch. Wir erzählen uns, wie unser Tag so verlaufen ist, und da ja meist nichts geschehen ist, können wir auch wirklich gut miteinander schweigen. Wie das in einer guten Männer-Freundschaft ja sein muss.

Je länger wir uns kennen, desto mehr gelange ich zur Überzeugung, dass Lazaro  das schönste Gesicht hat, das man je bei einem Katzen-Tier gesehen hat. Selbst die "Zweitbeste" die an einer bisweilen dramatischen Allergie leidet, liebt ihn mittlerweile. Sie weiß sogar wie krüsch der Kerl ist.
Gestern schimpft sie mich nach unserem Beisammensein:

"Du weißt doch, dass er keinen gekochten Schinken mag. Wenn er überhaupt etwas will, dann Parma!"

P.S. Wer glaubt, der haarige Blog-Star sei wieder einmal von mir erfunden. Hier sind Bilder von Ihm


Sonntag, 6. September 2015

Außenansichten

Die präzisesten Analysen über das "Deutsche Wesen" kamen im Laufe seiner Geschichte von Dichtern und Schriftstellern aus dem Exil: Heinrich Heine, Thomas Mann und Kurt Tucholsky, um nur die drei Prominentesten zu nennen. Trotz Verschlüsselungen ihrer Kritik in ihren Außenansichten wurden  ihre Werke von den  jeweils Herrschenden umgehend verboten.

Einem Amerikaner jedoch war die Weissagung vorbehalten: Thomas Wolfe.
Sein nach einem ausführlichen Deutschland-Besuch während der Olympischen Spiele von Berlin 1936 verfasstes Werk "Es führt kein Weg zurück" (übrigens eine Parole aus dem US-Bürgerkrieg) hätte die Welt beizeiten über Nazi-Deutschland aufklären und "Mein Kampf" neutralisieren können. Aber es erschien zunächst nur in Teil-Aufsätzen, und kam in Buchform erst nach seinem Tod (1938) in England heraus. Das war 1940, als der Zweite Weltkrieg schon ausgebrochen war. Im Nachkriegs-Deutschland war es dann bizarrer Weise erfolgreicher als in den Vereinigten Staaten...

Wer mal so richtig Gänsehaut bekommen möchte, sollte es angesichts der aktuellen Weltlage aufmerksam lesen.

Im Zeichen der elektronischen Nachrichten-Fülle und der freien Meinung im Internet, haben Außenansichten eine andere Wertigkeit bekommen. Es fiele schwer, das, was in und rund Europa gerade abgeht, mit erzählerischer Prosa oder gar in lyrischer Vers-Form abzuhandeln. Dazu ist der Schrecken zu permanent. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit an den Ostgrenzen der EU weist Deutschland zudem eine völlig neue Rolle zu. Die ehemaligen Kriegstreiber werden jetzt innereuropäisch in eine Rolle gedrängt, die einst den universell heilsbringenden USA zugewiesen wurde.

Die Außenansicht mancher Europäer von Deutschland entspricht dabei aber gar nicht so dieser Rolle.
Hier oben auf der Burg mag man manche Deutsche einigermaßen leiden, aber wenn beispielsweise bei der Wasser-Versorgung etwas schief läuft (die Swimmingpools und das regelmäßige Gießen der Pflanzen) oder von Touristen verborgene Regeln (Leinenzwang für Hunde) gebrochen werden, sind wir  kollektiv Merkel-Deutschland. Dann bricht etwas hervor, das die Färbung der Nachrichten unterbewusst bereits angerichtet hat.

Wenn ein Kommentator davon berichtet, dass Deutschland einen Milliarden-Handelsüberschuss in Höhe der griechischen Schulden verbuchen kann, schließt sich daran gleich die Frage an, wieso dann Deutschlands Haltung so gnadenlos sei.

Wir Deutschen gelten momentan per se als reich, arrogant und herrschsüchtig. Und hinter diesem Vorurteil ducken sich andere Nationen, um nicht ihr Quantum von der derzeitigen Völkerwanderung zu übernehmen.

Klar ist, dass unsere Geschichte einen anderen Umgang mit Flüchtlingen und Asylanten verlangt. Ganz sicher können die Deutschen sich das auch leisten. Aber die Gefahr liegt eben in den radikalen politischen Minderheiten, die Mehrheiten anstreben. Die sorgen nach Außen für gewünscht sensationelle Nachrichten. Wenn Flüchtlingsheime brennen, der schwarze Mob randaliert und aus alten Dokumentationen bekannte Hetz-Parolen schreit, dann wird aus Merkel-Deutschland schnell auch wieder Nazi-Deutschland.

Die Wahrnehmung außen wird ja durch den Zusammenschnitt zum gefilterten Extrakt.

Als die Baader-Meinhof-Bande ihr Unwesen trieb, hatte ich sehr viel beruflich in den USA und Kanada zu tun gehabt. Meine Kollegen dort fragten mich allen ernstes, wie es denn in den Straßen von Deutschland aktuell zugehe, und das Außenministerium gab eine Reise-Warnung aus...

Donnerstag, 3. September 2015

Happy Hour 2

Die Schul-Medizin ist sich da einig: Wer täglich Alkohol zu sich nimmt, ist ein Alkoholiker.
Demnach sind alle Burg-Geister Alkoholiker. Bei den AAI (Anonymni Alkoholici Italiani) gäben wir auf der Burg mit unseren  gastgebenden Nachbarn allein ein eigenes Chapter ab.

Stellt Euch folgende Szene vor:

Falco tritt auf:

"Ich bin Falco und ich bin Alkoholiker,  Ich bin Oliven-Bauer, und ich habe  - wenn ich in die Campagna gehe - immer meinen selbst gekelterten Rotwein dabei. Von dem unter Bio-Bedingungen ausgebauten Wein trinke ich täglich zwei Flaschen. Mein Großvater und mein Vater haben von dem mindestens drei Flaschen täglich getrunken, aber ich will mich bessern, Ich möchte nicht schon mit 87 oder 93 sterben - wie die beiden..."

"Salutiamo Falco!", sagen dann die anderen.

Beim Rausgehen aus der Santa Anna, fragen dann manche: Wieso hat der Falco solche Schuldgefühle? Ich bin erst ab der vierten Flasche zu den AAI gegangen  Aber das war natürlich nur unser Bio-Pigato. Der zählt nicht so.

Der multi-begabte Entertainer Harald Schmid  hatte ja ein Sabbatjahr wegen Burnouts. Als er zurück kam, nahm er sich als aller Erstes die Aussteiger aus Deutschland vor, die er auf seiner Reise rund um die Welt getroffen hatte. Er war offenbar von Neid ganz zerfressen,oder hatte nichts verstanden. Denn er  kolportiere deshalb, sie seien alle so voller Heimweh gewesen , dass sie sich komplett dem Alkohol hingegeben hätten. Ja und?

So what? Aus zu steigen, kann einfach nur bedeuten, dass man die künstlichen Zwänge abstreifen möchte, die zum Beispiel auch dem "Social Drinking", dem jeder in jenen Kreisen unterworfen ist, anhaften.

Als es um Aufträge und Verträge ging, war ich früher einer der Ersten, die sich zur Happy Hour mit "Geschäfts-Freunden?"trafen; je mehr, je besser!

Heute trete ich auf - und zwar ganz allein, nachmittags um fünf, weil ich mir und meinem Drink genug bin:

"Hallo! Ich bin Claus, und ich treffe mich jeden Nachmittag um fünf Uhr auf der Piazza vor meinem Haus - mit mir! Ich bin ein Alkoholiker - and I like it!"


P.S.: Als Autor habe ich während einer Nacht immer auf den letzen Drücker Geschichten geschrieben, die (ich gemäß Friedrich Nietzsche) auch im Alter noch gerne lese. Seit meine Kinder jedoch auf der Welt sind, schreibe ich nicht mehr unter Einfluss von Alkohol. Auch dieser Post ist ohne Stimulans entstanden...

Mittwoch, 2. September 2015

Die einfache Küche

Wenn ihr glaubt, dass der Hummer bei diesem Thema fehlt, dann liegt ihr falsch. Denn heute geht es um die Küche, in der ich immer mal wieder experimentiere.

Von Anfang an war uns klar, dass wir auch mit der Küche zurück zur Einfachheit wollten. Deshalb haben wir sie atmosphärisch so gelassen. Sie ist so geräumig, dass in ihrer Mitte ein Tisch steht, an der man zur Not essen kann. Aber das geschieht sehr selten, weil das Esszimmer ja gleich nebenan ist. Aber wir sind schon oft mit Freunden an diesem Tisch versackt, weil der mannshohe Kühlschrank in Griffweite ist.

Kurz haben wir uns überlegt, ob wir die Falltür zur Cantina unten abschaffen. Wir hätten dann aber die uralten Treppen hinunter umgestalten müssen. Das erschien uns ein unerhörter Eingriff in unsere Vorstellung von Romantik. Also haben wir nur ein Gewürz-Bord gekachelt und alle eingebauten Schränke weiß angemalt und mit alt aussehenden Knöpfen verziert. Für die Hygiene haben wir das steinerne Waschbecken gegen ein modernes Alu-Doppel-Becken mit flexiblen Wasserhahn ausgetauscht und uns rundum eine Arbeitsfläche aus Granit gegönnt. Wir hätten uns ja nicht vorgestellt, dass wir unser ganzes bisheriges Leben hier unsere Gäste durch die Küche bitten müssten.

Unsere Außentreppe, die direkt in die Wohnbereiche führt, kann nicht benützt werden, weil eine böse Burggeistin aus ihrem angrenzenden Speicher unbedingt eine Ferienwohnung machen wollte. Sie hat ein Begehungsrecht (diretto di passagio) auf dieser Treppe, das sofort erlöschen würde, machte sie aus ihrer oberen Tür ein Fenster. Da es aber fraglich ist, ob sie überhaupt eine Baugenehmigung für den Umbau eingereicht oder gar bekommen hätte, gammelt die Baustelle seit drei Jahren mit ihren Bretter-Verschlägen vor sich hin.

Inzwischen ist das Eintreten durch die Küche Standard, obwohl sie eben nicht so ein leuchtend funkelndes Ding ist, wie alle Einbauküchen die wir bislang hatten, machen alle Komplimente. Sie hätte Charme bekunden sie - meist.

Man kommt durchaus mit einem kleinen, tragbaren, französischen Ofen aus, in dem man backen, Grillen und Spießbraten rotieren lassen kann. Selbst eine französischen Gans haben wir darin zu Weihnachten zubereitet. Wir haben dem Geflügel-Händler in der Markthalle von Menton unser Problem geschildert, und er hat das riesige Viech in sechs gleiche Teile zerlegt. Unsere Kinder waren mit uns einer Meinung, dass diese eine der besten Gänse war, die wir je gehabt haben.

Die Vorteile von einem Gasfeld mit vier Brennern gegenüber jedem Induktionsherd sind ja von Kochprofis ausführlich beschrieben worden. Ich habe eben den Halbjahres-Vergleich zu unserem modernen Herd in München. Hier koche ich lieber und präziser.

Das einzige Zugeständnis an den gewohnten Komfort bin ich bei der Geschirr-Spülmaschine eingegangen. Ich habe die seit Jahren Bewährte Baujahr 1948 mitgenommen. Sie ist etwas sperrig und bauchig und macht beim Abwasch komische Geräusche. Sie hat ihre Eigenheiten und verweigert mitunter ihre Dienste. Dann muss ich an die Spüle, die mich total einengt, weil die Außentreppe dort für eine Schräge sorgt. Der ganze Abwasch-Bereich ist ja zudem in einer Nische, was die nach mir benannte Phobie noch verstärkt.

Zum Glück streikt sie selten, und wenn ich sie etwas tätschel und ihre Aggregate streichle, funktioniert sie auch wieder bestens.

Danke, liebe "Zweitbeste", dass du immer noch so eine wichtige Rolle in meinem Leben spülst.