Dienstag, 29. Juli 2014

Schnecken-Post

Wer noch nicht mit der Struktur des Borgos rund um die Burg vertraut ist und nicht über einen allzu ausgeprägten Orientierungssinn verfügt, lässt sich durch die Struktur der Gassen schon gelegentlich verwirren. Das gilt für neue Feriengäste, die von ihren Vermietern stets mit unzureichenden Hinweisen versehen werden, aber auch für die Aushilfskräfte der Post.

Da wir in zentraler Lage hausen, sind wir es gewohnt, dass wir an Anreisetagen gerne einmal als Auskunftei bis spät in die Nacht missbraucht werden. Total Erschöpften stehen wir dann meist gerne mit einem Eis für die Kinder und einem Glas Wein für die Erwachsenen zur Seite. Mitunter schauen wir aber auch ganz enspannt zu, wenn welche grußlos unter dem einen Torbogen der Piazza verschwinden - nur um durch einen anderen wieder aufzutauchen. Das Problem ist auch, dass wir ja zwei Plätze übereinander haben und die sie versorgenden Gassen auf unterschiedlicher Höhe verlaufen. Je nachdem, ob einer von oben oder unten kommt, verschieben sich dadurch die spärlichen Koordinaten.

Die Ferienzeit bringt aber leider auch mit sich, dass Graziella, die postina unserer Herzen, mal frei hat. Dann kommen schlecht vorbereitete Aushilfen, die natürlich schnell die Nerven in diesem neuerdings durch neue Hausnummern noch verwirrenderen Dörfchen verlieren. Allein unser Haus, das an zwei Gassen und die Piazza grenzt, verfügt über drei Hausnummern. Was uns persönlich sehr befriedigt, weil sich ja gerade unsere einheimischen Nachbarn derart über deutsche Bürokratie mokieren...

Gestern kam also erstmals anstelle unseres geliebten und topfiten Rotschopfes eine sauertöpfische Aushilfe, die der "Zweibesten" gewissermaßen vorwarf, wieso wir außer dem komplizierten Namen auch noch ein Haus mit drei nummerierten Eingängen hätten. Deshalb gingen wir auch zum Ablachen schnell in die Küche, als sie zum dritten Mal wirr über die Piazza kreuzte. Zur Erinnerung: Graziella macht den Weg fünfmal die Woche bei jedem Wetter, ruft posta! posta! und bundi! durch die Gassen und grüßt jeden, den sie im Haus vermutet beim Namen - selbst wenn sie nichts für den Adressaten hat: Oggi niente Electra! A domani!

Natürlich können wir so einen persönlichen Postservice von den Aushilfen nicht erwarten, aber dass sie den Briefkasten leeren schon. Einmal hatten wir einen, der war zu faul, die Treppen hoch zu gehen und die einzelnen Adressaten in diesem meist taubstummen Dorf heraus zu finden. Er entsorgte die Post gleich bei den Müll-Containern am Fuße des Borgos, bis ihm einer drauf kam, der seine dringende Sendung fand, als er den Müll weg brachte.

Zumindest gestern hat die Neue den Briefkasten wohl nicht geleert, obwohl ich Neuankömmlingen tags zuvor versichert hatte, er werde werktäglich geleert. Wir hören es nämlich scheppern, wenn der rote Kasten aus den Tagen als die italienische Post laufen lernte, geleert wird. Die Piazza ist tatsächlich auch die Post-Ecke. Das Hinweis-Schild auf den öffentlichen Fernsprecher hängt auch immer noch, obwohl keiner mehr gettoni telefonici bei der alimentari eintauschen kann. In der Zeit der telefonini sind sowohl der Lebensmittel-Laden als auch der Fernsprecher verschwunden.

Normalerweise ist die Post, die wir nach dem zwanzig Meter weiten Weg zum Briefkasten pünktlich einwerfen, innerhalb von ein paar Tagen in Deutschland. Bis Graziella wieder fröhlich ihren Dienst versieht, könnte die Ferienpost aber jetzt ein wenig länger brauchen...

Kleiner Epilog:
Während die "Zweitbeste" und ich uns glücklich schätzten, weil wir ja notfalls e-mails  verschicken könnten, starrt meine Frau an mit vorbei an die Hauswand und sagt:

"Nun schau dir mal die Schnecke da oben an! Die hat ja wohl genauso die Orientierung verloren wie die Aushilfe!"
Sprach's und pflückte das fast ausgetrocknete Tier samt ein wenig Farbe von der Wand. 

Da kam mir die zündende Idee. Ich verpasste der Schnecke mit einem Magic Marker das offizielle Leuchtgelb der hiesigen Briefträger und setzte sie gleich beim Briefkasten auf ein Unkraut. Quasi als unterstützende Schnecken-Post.
Heute kam das uniformierte Weichtier aber noch nicht zum Einsatz, weil auch die Aushilfe nicht erschien...

Sonntag, 27. Juli 2014

Der Karibik-Drink-Tester

Im Irrglauben ewiger Jugend und unerschütterlicher Gesundheit geriet ich einmal in die Fänge des amtierenden Weltmeisters im Mixen von karibischen Drinks. Der quirrelige, schokobraune Bad-Boy vom Typ Martin Lawrence war die Dreingabe zu einem Yacht-Charter eines Verlagsrepräsentanten. Der wollte schon immer mal zum Game-Fishing und erwartete natürlich als fiskalisches Feigenblatt für die von ihm aufgewendeten Spesen von mir eine Männergeschichte über die Jagd nach dem Blue Marlin.

Um es vorweg zu sagen, das Schippern vor einer der Inseln in der Sonne geriet wegen der falschen Saison zu einer der langweiligsten Bootstouren meines an nautischen Erlebnissen reichen Lebens. Es wäre ein totales Fiasko mit Sonnenstich und Bordkoller geworden, wenn wir den unheimlichen Mixer nicht an Bord gehabt hätten. Er vertrieb uns die Langeweile, indem er ständig neue Kreationen anbot. Der Charterer hatte ihm wohl vor dem Ablegen gesteckt, dass einer der Compagneros des Repräsentanten der deutsche Statthalter einer noblen Champagner-Marke war.

Der Bad-Boy zelebrierte quasi eine Verkostung und wir spielten mit, indem wir nach jedem Schluck kenntnisreiche Mienen aufsetzten und dann kommentierten. Der Weltmeister kam nicht gut weg. Alle Drinks waren durch das crached Ice zwar schön kalt, aber auch derart pappsüß, dass das die frischen Früchte überlagerte und den Alkoholgehalt im wahrsten Sinne des Wortes verschleierte. Während der blaublütige Verkostungsprofi aus dem Champagnerhaus seine Anmerkungen dezent abgab, meinte ich mit bereits gelockerter Zunge, dass kein ernsthafter Trinker aus der alten Welt diese Lady-Liquors auf Dauer konsumieren könne. Das war ein beinahe tödlicher Fehler, denn anstatt beleidigt zu sein, hielt mich der Herr über eine Gallone Melasse-Sirup anscheinend für einen globalen Experten. Die nächsten drei Tage ließ er mir nämlich mit seiner Überzeugungsarbeit keine Ruhe mehr und führte mich zudem in die vermeintliche Brotherhood of Mixers seiner Insel ein. Nicht ohne zu erwähnen, dass The Big Man auch der einzige gewesen sei, der etwas gefangen habe. Tatsächlich hatte ich einen Zackenbarsch von etwa dreißig Kilo am Haken, aber der Skipper musste mich anbrüllen und ein paarmal wütend hin und her manövrieren, weil ich viel zu beschickert war, um das Viech an Bord zu bekommen. Das zu sagen, vermied mein neuer Freund natürlich.

Um eine lange Geschichte auf den Punkt zu bringen. Drei Tage befand ich mich mit festen Boden unter den Füßen aber dennoch erheblich schwankend  in einer Dauerverkostung der gesamten Gilde. Schon am zweiten Tag entstand so im Nirwana die Vorstellung eines neuen Traumberufes. Wann immer ich später gefragt wurde, was ich einst lieber geworden wäre als Journalist, antwortete ich ernsthaft: "Karibik-Drink-Tester!"

Dazu beschrieb ich jedem gerne die Versuchsanordnung an meinem imaginären Arbeitsplatz: In einer Hängematte unter Palmen sanft im Passat schwingend, befächert von rundlichen Bikini-Mädchen, diktierte ich einem livrierten Sekretär meine geschätzten Kommentare zu den immer neu kreierten Drinks. Dieser Sekretär würde sie dann noch am selbigen Tage weltweit per Telex an die wichtigsten Zeitungen schicken, und die Honorare gingen später ganz von selbst ein - wie bei  meinem damaligen journalistischen Vermarktungsvorbild Art Buchwald.

Glücklicher Weise wurde ich doch noch so nüchtern, dass mir zu Bewusstsein kam, dass ich ja gerade erst Jung-Vater geworden war und daheim ein verantwortungsvolles Leben ohne Palmen zu führen hätte. Aber es darf ja wohl mal geträumt werden...

Weil ich Mix-Drinks aber immer noch mag, habe ich erst viel später als Diabetiker probiert, den Sirup aus solchen Drinks durch die naürliche Süße der tropischen Früchte zu ersetzen. Gescheitert bin ich eigentlich nur beim Caipirinha  Der geht wirklich nur mit dem braunen Melasse-Zucker.

Meine leichten Drinks für heiße Tage

Hier eine Auswahl geeigneter Früchte:
Limonen, sehr reife Ananas, sehr reife Erdbeeren, frische Litschis, frische Passionsfrüchte, sehr reife Melonen, schwarze Johannisbeeren, Stachelbeeren, überreife Tomaten 

Hier eine Auswahl frischer Aromen:
ungezuckerte Vanille-Schoten, Minze, grüner Koriander, roher Ingwer Stern-Anis - und nur wenn es vor lauter  Fernweh gar nicht anders geht - bitter Angostura und Kokosnuss-Raspel

Hier eine Auswahl der Spirituosen:
Gin, Wodka, Havanna Club, Cachaca sowie trockener Sekt oder Prosecco

Menge jeweils für vier Cocktail-Gläser à 0,25 Liter Fassungsvermögen - mindestens.

Heute die ersten drei Dry-Drinks einer lockeren Folge:

Blutarme Mary 

In einem Liter Wasser fünfhundert Gramm überreifer Tomaten mit einer großen, weißen Zwiebel (ca. 100 Gramm), vier kleinen Thai-Chillies oder Jalapenos und einer guten Prise Salz so lange aufkochen, bis sie Matsch sind. Den Sud dann nach dem Abkühlen erst einmal durch ein feines Sieb passieren und dann noch einmal so oft durch ein Küchentuch bis ihm alle Farbe entwichen ist. Dann gleichmäßig in die vier Gläser füllen und für eine halbe Stunde ins Tiefkühlfach. Es darf sich da ruhig schon ein wenig Eis gebildet haben. Dann 4 cl oder nach Gusto Gin oder Wodka darauf gießen und die Hälfte des oberen Teils einer Sellerie-Staude (mit den Blättern) als Deko und zum Umrühren hineinstecken - fertig!

Honkong Highball

Frische und feste Litschis schälen und entkernen (ca. 500 Gramm) mit vier gehäuften Teelöffeln fein geriebenem Ingwer in einen  Mixer mit der gleichen Menge Eiswürfel geben. Pürieren und schnell in die Gläser geben. Mit Gin, Wodka oder - so verfüg- und zahlbar - am besten mit Mao Tai oder einem weniger teuren Bambus-Schnaps aufgießen. Einen Hauch gezupften, grünen Koriander drauf - fertig!

Teaparty

Ist nichts für konservative Amerikaner - es sei denn, die nehmen Burbon Whisky anstelle von dem Rum Havanna Club: Die Fruchtkerne von vier Passionsfrüchten in ein verschließbares Glas geben und  reichlich mit einem von beiden aufgießen. Dann mindesten 24 Stunden in den Kühlschrank damit. Zum Zubereiten stark gezogenen, frisch gebrühten schwarzen Tee (Sorte nach Gusto) mit crashed Ice herunter kühlen. Wer knabbern will, löffelt ein Viertel der gezogenen Passionsfrucht-Kerne direkt in den Tee. Wer nur das Aroma möchte, kann die Melange auch durch ein Teesieb gießen. Ein frisches Sparemint-Blatt darauf - fertig!

Salute!

Mittwoch, 23. Juli 2014

Polenta verde

Da muss - denke ich - doch einmal im Hinblick auf die vielgängigen ligurischen Menüs etwas klar gestellt werden:

Das sind nicht vierzehn volle Teller, und es werden auch nicht nur kulinarische Highlights serviert, sondern vieles ist Standard aus der casareccia liguria. Aber zwischendurch gibt es durchaus Spannendes.
Am Sonntag in Cosio d'Aroscia gab es neben einem Scheibchen Vitelleo Tonnato und einem Scheibchen Bresaola mit geraspelten Kohl vor allem Torte in verschiedenen Geschmacksrichtungen: verde, con trombette, con patate und so weiter als Vorspeisen. Wer keinen großen Hunger hat, sollte aus taktischen Gründen durchwinken, denn die werden gerne reichlich serviert, um bei den teureren Gerichten (geröstetes Kaninchen mit Leber, Roastbeef und Wildschwein-Gulasch) nicht soviel nachreichen zu müssen. Bei den Pasta-Gängen oder genauer bei den secondi waren zwei spannende Sachen dabei: crespelle con formaggio, feinste Pfannkuchen - den Crèpes sehr ähnlich - mit einer sahnigen Käsefüllung und dann noch etwas, das die Gourmet-Geister am Tisch schied, und das der Anlass für den heutigen Blog ist.

Wir waren vier bei Tisch, und noch nie lagen die Kommentare und Meinungen derart auseinander wie bei der Polenta verde con Funghi Porcini: Die "Zweitbeste" schwärmt immer noch davon, Paula - eine exzellente Köchin - probierte und aß nicht weiter, Paul  - ein sehr dezidierter Esser - verweigerte wegen des Anblicks, der mich in einer Anmerkung an die Inhalte der Alete-Gläser erinnerte, die ich in meine Baby-Kids hinein gestrichen habe, als die sich noch nicht so wehren konnten.

Gegessen habe ich den Gang dennoch, und musste der "Zweitbesten" irgendwie recht geben - wenn auch nicht so richtig. Der Gang offenbarte ein Grund-Dilemma der Casareccia-Küche. Traditionsrezepte werden einfach weiter so gekocht wie bei Mamma, obwohl sich der Anspruch an das Essen im Hinblick auf Ästhetik und Nahrhaftigkeit ja auch in Italien längst geändert hat. Ein Durchstöbern italienischer Koch-Seiten im Internet hat mir bestätigt, dass da generell kein Wille zur Interpretation besteht.

Jetzt bin ich einer der gerade vom Koch-Saulus zum Gourmet-Paulus wird, weil ich Polenta von ihrer Grundausrichtung eigentlich nicht mag. - Ganz besonders wenn es sich um die weiße "Wasser-Polenta" handelt, die einfach zum Rösten auf die Herdplatte geklatscht wird. - Aber ich mochte auch Kartoffeln nach Art meiner Mutter und Schwiegermutter nicht: Aufgestampfte und zerkochte Oberfläche zur maximalen Aufnahme von Soßen, die zudem noch mit Mehl geschwitzt waren; reine Sättigungsbeilagen eben.

Ich weiß noch wie ich im Veneto vom Personal eines Restaurants fast gelyncht wurde, weil ich zu der schwarz gerösteten Polenta Zucker und Zimt haben wollte... Mittlerweile weniger radikal habe ich Polenta in veränderten Darreichungsformen durchaus schätzen gelernt: in fester Konsistenz zum Nero di Seppie beispielsweise, oder in der ligurischen, breiigen Feiertagsvariante mit unter gehobenem  Mascarpone-Gorgonzola oder Gorgonzola dolce.

Da ist das Schlüsselwort: Konsistenz.
Bei da Maria war die Polenta verde äußerst cremig und der Steinpilz - da teuer - sehr vereinzelt mitgekocht und daher eher schleimig. Das gab einen geschmacklich durchaus akzeptablen "Einheitsbrei". Ich mag aber, wenn die Komponenten einzeln erkennbar und zu schmecken sind. Es ist also keine Besserschmeckerei, wenn ich euch folgenden Vorschlag für die Zubereitung mache:

Polenta verde nach Burgschreiber-Art

Zutaten für vier  Personen als secondo:


400 Gramm für Polenta vorgesehenen, gelben Mais-Gries
100 Gramm im Mixer grob zerkleinertes Grün bestehend aus Blättern vom Stangen-Sellerie, Blattspinat, Grün vom Mangold und Petersilie - oder nach anderem Gusto auch Basilikum oder Estragon (bei Fisch)
2 gehäufte Teelöffel abgewaschener grüner Pfeffer im Mörser mit groben Salz und einem Teelöffel braunen Melasse-Zucker zerstampfen.
Vier mittelgroße, frische Steinpilze (Hut und Stil in feine Scheiben geschnitten - trifolati)
!/8 Liter süße Sahne.

Zubereitung


Meiner Meinung nach müssen die drei Haupt-Komponenten vor dem Beifügen zunächst getrennt von einander vorbereitet werden.
Polenta-Gries in zwei Esslöffeln Butter vorsichtig anrösten und dann unter permanentem Rühren (in kleinen Portionen) Wasser hinzu geben, bis der Brei die gewünschte leicht steife Konsistenz erhält.
Das zerhackte Grünzeug ebenfalls aber separat kurz mit Butter anschwitzen. Das Grün muss seine Farbe behalten und darf dann auch in der Polenta nicht noch bräunlich werden!
Die Steinpilze in einer Pfanne mit etwas Butter zusammen mit dem Inhalt aus dem Mörser auch nur so kurz anschwitzen, dass sie weder schleimig werden, noch ihre weiß-braune Farbe verlieren.
Dann bei  stets geringer Hitze erst das Grün unter die Polenta heben bis der Brei grün marmoriert und appetitlich aussieht. Mit der Sahne Farbe und Konsistenz des Breis korrigieren und erst am Ende die Steinpilze hinzugeben. Dann sofort Flamme aus, und das ganze nur noch etwa drei Minuten ziehen lassen...

Fertig ist ein mit ein paar Basilikum-Blättern verziertes Vorgericht. Oder ihr serviert es als Beilage zu einem auf der Haut gebratenen Zander-Filet mit ein paar gerösteten Pinien-Kernen dekoriert. Polenta ist eben vielseitiger als man denkt...

Buon appetito!


Montag, 21. Juli 2014

Festa Delle Erbe

An jedem dritten Sonntag im Juli schäumt das ligurische Berg-Städtchen Cosio D'Aroscia über vor guter Laune. Dann wird das Kräuter-Fest gefeiert. Klar, man könnte auch das einzigartige  Kräuter-Museum besuchen, aber eigentlich geht es den meisten Gästen weniger um Fortbildung als eher um die Befriedigung der Sinne: Schmecken, Riechen, Sehen und Hören...
Um die Mittagszeit geht das Gedränge los.
Der Schlaue löst sich am Eingang zum Markt,
quasi einen Fress-Pass, den er vorzeigt,
wenn er  an den Stationen nicht jedes Mal
zahlen möchte. Dazu gibt es einen Jute-Sack
mit allem erdenklichen Info-Material.
Bequeme buchen im Restaurant Da Maria
einen Tisch für das übliche ligurische Gelage  
Das Probieren ist so mannigfaltig, dass man auch ohne
Kosten bis zur Sättigung verköstigt  und beim Verkosten mit Weinen
aus der Region gelabt  wird
Der Polizzotto hat allerdings schon
einen scharfen Blick dafür, wer
wie nachher in sein Auto steigt




Kräuter gibt es auf der Festa in allen Formen ihrer Verarbeitung - als Essenz, als Gewürz auf der Focaccia, als Schnaps aus der Destille, in Keksen  oder für die Gesundheit als Pastillen. Selbst  Honig wird in ihren diversen Aromen und Geschmacksnuancen angeboten

Bei den "Glöckchen" geht nachmittags mit mittelalterlicher Musik die Post ab. Die Fress-Pass-Inhaber erkennt jeder an ihren Jute-Säckchen mit entsprechendem Aufdruck. Wer das Angebot voll ausnützt, kann pro User bis zu 15 Euro sparen - heißt es

Als mich der Bäcker Franco Marini gratis mit Focaccia, Torta Verde und Pane caldo vollstopfen wollte, musste ich leider passen, denn ich hatte ja bei seiner Tante Maria ein 14Gänge-Menü zu erwarten

Hier kommt gerade das Pane Caldo aus dem Ofen, das zu den Vorspeisen bei Maria gereicht wird. Vorsicht! Die ölknusprigen Teile machen süchtig und blockieren dann leider den Magen im "Endkampf " mit den Fleisch-Gängen
Wer Krimskrams kauft, wundert sich nicht selten, was dann noch alles als Gratis-
Gabe in den Tüten landet. Die "Händler" - fast alles einheimische  Privat-Leute - haben
vor allem einen Riesenspass. Da ist der Profit wohl Nebensache


Dekoration ist alles







Keine Bange wegen der vielen Kalorien: Wer den Pfeilen treppauf treppab  durch das Gassen-Labyrinth von Station zu Station   folgt, arbeitet einen Teil sofort ab. Den Rest kann er dann beim Gruppen-Tanz bis zum Abend auf recht laut beschallten Plätzen verbrennen.

Donnerstag, 17. Juli 2014

Don Marino

Heute ist es wirklich sehr heiß. Die Gedanken strömen nicht, sondern tropfen zähflüssig in die Hände und von dort in meine Tastatur. Wenn die Temperaturen es zuließen, ärgerte ich mich zu allererst darüber (Schönen Gruß an die Gesellschaft zur Rettung des Konjunktivs!!!), dass es in München noch heißer sein wird  als hier zwischen den alten Mauern. 34 Grad sollen es in Bayern werden, und natürlich mache ich mir schon wieder Gedanken, ob meine beiden Kids bei ihrem Open-Air-Auftritt mit der Band am Samstag bei den angekündigten schweren Gewittern auch sicher sind...

Hier ziehen sich schon wieder die vom Tramontana getriebenen Wolken zusammen, aber ein Gewitter wird es wohl nicht geben. Woher wir das wissen? Weil unser böser Burggeist gestern ein zappelndes Huhn über die Piazza getragen und es an der Fontana gründlich abgeduscht hat. Die "Zweitbeste" ist sich sicher: Hätte sie nicht zufällig auf ihrem Stuhl im Schatten gesessen, Don Marino hätte das Federvieh schon an Ort und Stelle geschlachtet. Don Marino, der Sparsame, setzte aber nie und nimmer eine Suppe  oder einen besonderen Braten an, wenn das Wetter nicht stabil bliebe (Zwei weitere Konjunktiv-Sammelpunkte!)...

Don Marino ist der, der von den einst vier "hundertjährigen Geschwistern" noch übrig geblieben ist. Ich müsste sie eigentlich längst umbenannt haben, weil ja weder die Zwillinge noch die zeternde Eugenia (alle weit über 90) die Hundert geschafft haben. Aber Don Marino ist möglicher Weise böse genug, um uns noch alle zu überleben. - Was ihn natürlich besonders geeignet erscheinen lässt, weiterhin eine tragende Rolle auf meinem Blog zu spielen.

Mitunter kommt mir der Verdacht, es könne sich bei ihm sogar um einem illegitimen Spross, des Grafen-Geschlechtes handeln, das hier einst den Borgo  beherrschte. So sehr ist er darauf versessen, die vielen fremden Eindringlinge zu piesacken. Wer sein Auto oberhalb des Dorfes zu lange nach dem Ausladen stehen lässt, oder auf seinen dort markierten Grundstücksanteilen steht, kann  damit rechnen, dass sein Türschloss verklebt ist, oder eine teure Alu-Felge eine Beule abbekommen hat. Nachzuweisen war ihm natürlich nie etwas.

Jedenfalls sind wir schon erstaunt, dass er auf einmal wieder lebende Hühner hat. Denn seine Hühner hielt er hinder der Pforte uns gegenüber, die heute streng von einer meiner aufmerksamen Yukka-Palmen bewacht wird. Als seine drei Schwestern  begannen, hinfällig  zu werden, waren die Hühner verschwunden. Stattdessen wurde diese Cantina zu einer Art Kleiderkammer, die für die immer abgerissen herum laufenden und herunter gekommen wirkenden Geschwister jede Menge tadelloser, da eingeschweißter, und nicht allzu alter Kleider parat hielt. Als Eugenia als Letzte ins Heim kam, suchte der fürsorgliche Brunder für sie jedenfalls geeignete Kleidung aus just diesem Fundus.

Nachdem die Drei aber dann den kurzen Weg von hier zu Il Signore angetreten hatten, war auch bei Don Marino plötzlich eine modische Wandlung eingetreten. Auf einmal marschierte er in tadellos gebügelten Gabardine-Hosen samt Blazer und weißem Hemd über die Piazza. Und sein verknotetes Taschentuch hatte er gegen eine farblich abgestimmte Golf-Mütze eingetauscht. Die "Zweitbeste" war sich sicher, dass der 94jährige im Ortsteil La Villa eine Freundin hat. Fragen konnten wir ihn natürlich nicht, weil wir - trotz des wieder gefundenen Schlüssels zu seiner "Remissa" - in seinen Augen immer noch diebische Teufelsbrut sind. Aber immerhin grüßt er uns wieder  - unter allerdings sichtbarer, körperlicher Qual.

Er, der ja - vom Hörensagen - nach dem Ableben seiner Geschwister alleiniger Herr über erheblichen Landbesitz ist, scheint nun auch in all seinen Häusern gleichzeitig zu wohnen. Vom Haus seiner Schwestern trägt er brav den Müll raus, obwohl er eigentlich an der oberen Piazza eines der schönsten Häuser des Borgos bewohnt. Dass die Kleidung wieder nachlässig wie einst ist, schreiben wir dem Umstand zu, dass er in seinem roboterhaft programmierten Dasein wieder den "Vor-Ernte-Modus" hoch gefahren hat. Obwohl nur noch aus Haut und Knochen bestehend sehen wir ihn täglich in seinem Geländewagen zu seinen weit verstreuten fascie düsen, um darin zu arbeiten...

Dienstag, 15. Juli 2014

Body&Soul

Es kann der stillste Nachbar nicht in  Frieden denken, wenn es der "Seelenfängerin" nicht gefällt. Gerade saß ich in meiner Ecke auf der Stufe des noch in Rom weilenden Nachbarn und dachte nach. Da kam Signora Electra die halbe Treppe von der Gasse hoch, so dass ich nur ihren Kopf mit der Prinz-Eisenherz-Frisur auf Ebene der Piazza sah. Das gab unserem Dialog etwas Geisterbahnhaftes:

"Cosa stai facendo?" Was machst Du?
" Einfach nur nachdenken!" Basta semplicemente pensare.
"Denk nicht soviel! Glaube lieber!" Non pensare tanto! Fede piuttosto!

Für einen Moment überlegte ich, ob ich versuchen sollte, ihr mit meinem Speisekarten-Italienisch meine komplizierten Überlegungen zu beschreiben. Dann sagte ich nur:
"Non è possibile salvare mia anima Signora!" Meine Seele ist nicht mehr zu retten...

Ich hatte gerade mein E-Book mit einer Original-Version von Henry David Thoreaus "Walden" zur Seite gelegt. In einem selbst überhöhenden Anfall von beruflicher Eifersucht stellte sich mir, der sich gleiche Gedanken nicht zu Papier bringen traut, die Frage: Wie konnte dieser Urvater aller "Alternativen" vor genau 160 Jahren derart richtige Erkenntnisse nachhaltig für die Ewigkeit zu Papier bringen? In einer einleuchtenden Sprache, die offenbar aktuell auf keiner Petersberger Klima-Konferenz in ihrer Klarheit verstanden werden konnte...

Wie sollte ich dann diese Fülle an Geistesblitzen der eher eindimensional denkenden "Seelenfängerin" darreichen? - Noch dazu in ihrer Sprache? Und wie bin ich überhaupt zu der Kettenreaktion an Überlegungen gekommen?

Dazu muss ich  vorweg (wieso überhaupt?)  betonen, dass ich nicht wie Thomas Mann im Alter von meinen unterdrückten homoerotische Anwandlungen überwältigt werde. Es war eben nur gerade eine simple Erkenntnis der Ästhetik:

Nach all den Sixpack "getuneten" und von Hairstylisten "geshapeten" Fußballstars bei der soeben zu Ende gegangenen Fußball-Weltmeisterschaft, fiel heute meine Blick auf die Jungs, die mich seit einem Monat mit ihrer Zementmischmaschine, ihren lauten Unterhaltungen und ihren Gesängen ab den frühen Morgenstunden nerven. Unsere Body&Soul-Doctores aus der freud'schen Heimatstadt lassen sich nämlich eine offenbar Fußballfeld große Terrasse zum Tal hin anlegen...

Da ich die Arbeiter bislang nur mehr oder weniger akustisch wahrgenommen hatte, fiel mir bei ihrem Anblick - diagonal über die Piazza in der Gesamtperspektive der nachhaltigen Vergänglichkeit unserer Burg - ein Zitat von Thoreaus Eingangskapitel aus "Walden" ein:

"Jede Generation lacht sich tot über die modischen Verfehlungen ihrer Eltern, um im gleichen Moment nichts unversucht zu lassen, nach den modischen Errungenschaften zu streben, über die sich dann wieder ihre Kinder amüsieren können... "(Wirklich sehr frei übersetzt!!!).

Drei junge Männer schleppen hier seit Tagen riesige Schiefer-Platten über die steilen Treppen nach unten. Dazu kommen noch schwerere Eimer mit Zement aus der Mischmaschine. Sie singen mit guten Stimmen, und wenn sie zur Fontana kommen, um das Wasser per übergestülpten Schlauch für den Zement abzuzapfen, grüßen sie gut gelaunt und höflich.

Nach all den mit "personal Trainern" gezüchteten Bodies der Ronaldos, Kutchers, Beckhams und Timberlakes ruht mein Blick voller Wohlgefallen auf diesen Burschen, die sich durch ihrer Körper Arbeit ein im Rousseau'schen Sinne perfektes Ebenmaß erarbeitet haben.

Samstag, 12. Juli 2014

Ein sonniges Gemüt

Eines muss man der "Zweitbesten" lassen. Was sie sich in den Kopf gesetzt hat, das zieht sie erbarmungslos durch. Weil die ersten unserer Nachbarn schon bald wieder in Richtung Heimat unterwegs sind und andere - gerade frisch angekommen - noch zu erschöpft waren, um sich nachhaltig zu wehren, hatte sie strikt das erste Cena In Piazza für den vergangenen, ungewohnten Donnerstag angesetzt, zu dem natürlich unsere noch arbeitenden italienischen Nachbarn nicht so zahlreich erscheinen konnten, wie beim letzten "Abendessen auf der Piazza" im vergangenen Herbst. Trotz ständiger Unwetter mit Temperatur-Stürzen hat die "Zweitbeste" natürlich wieder eine "notte magica" erwischt. Wir waren immerhin schon vierzehn bei Tisch, und das Gelage aus mitgebrachten Speisen und Weinen dauerte wieder einmal von sechs bis Mitternacht. Nach so langer Zeit gab es viel Neues zu erzählen - auch wenn das bei mangelndem Wortschatz mit Händen und Füßen dargebracht wurde. Julia aus dem von uns abgeschnittenen Nachbarort war erstmals dabei und half mit ihrem italienischen Mann Ernesto manche Sprachbarriere zu überqueren

Unsere Nachbarin, Signora Ina, bekam sogar als Dank für ihren aus eigenen Pflaumen gebackenen Gitter-Kuchen einen erfolgreichen Schnellkurs in unserem deutschen Behelfs-Italienisch. Anhand von einfachen Beispielen erläuterten wir ihr das für die Fälle, in denen uns gerade mal eine italienische Vokabel nicht einfällt. - Am Ende des Abends bat sie - schon leicht beschickert - perfekt um Messero, Gebelo samt Tellero. Alter schützt eben doch vor Torheit nicht.

Als neuen Gast an der Tafel durften wir auch den deutschen Burggeist Martin begrüßen, den wir als Dauer-Residenten schon als alten Kumpanen ansehen. Da waren wir dann aber doch überrascht, dass andere, die schon mehr als 30 Jahre auf die Burg kommen,  ihn noch gar nicht kannten,. Und das, obwohl ihm seit über zwanzig Jahren eine Wohnung auf der Rückseite von der Burg gehört.

Der mittlerweile 77jährige aus dem Schwabenland ist aber auch schwer zu erwischen, denn er ist hyperaktiv wie ein Vorschüler. Nicht nur, dass er immer noch mit einem PSstarken Motorroller aus der Nähe von Stuttgart bei Wind und Wetter über Landstraßen und Alpenpässe zum Borgo düst - auch hier absolviert er dann das volle Programm eines jungen Aktivisten. Nach dem Aufstehen spielt er täglich mit einem Trainer in Porto Maurizio Tennis, dann geht er schwimmen, dann macht er ein Schläfchen, bevor er sich wieder auf den Roller schwingt, um irgendwo in den Bergen zu essen. Seine Aufenthalte auf der Burg dauern aber selten länger als 14 Tage. Dann wird er unruhig und besucht auf der Heimfahrt noch geschwind andere über Europa verteilte Freunde. Wenn er nicht so ein leidenschaftlicher Formel-!-Gucker wäre, bekämen wir ihn vermutlich auch nur selten zu Gesicht. Den "Großen Preis von Österreich" und Silverstone hat er in diesem Jahr sachkundig bei mir geguckt.

Um ehrlich zu sein, macht er mich mit seiner Agilität ganz schön neidisch, aber ich kenne mittlerweile das Geheimnis hinter seinem sonnigen Gemüt: Der Martin lebt ausschließlich im Sommer. Er ist mit einer Brasilianerin verheiratet und lebt mit ihr halbjährlich in beiden Welten. Wenn sich in unseren Breiten das Laub färbt. sitzt er bereits wieder mit ihr im Flieger und düst dem brasilianischen Frühjahr entgegen - bis er im kommenden Sommer wieder mal für eine Stippvisite bei uns eintrudelt; ein Zugvogel der besonderen Art...

Donnerstag, 10. Juli 2014

Öl oder Butter

"When in Rome do as the Romans do!" - Von diesem Prinzip rücken die "Zweitbeste" und ich in der Fremde nur selten ab. Das heißt, wir passen uns allgemeinen Verhaltensregeln des jeweiligen Gastgeberlandes an und vergessen unsere teutonischen; - nicht etwa aus Anbiederei, sondern aus Respekt.

Bei der Nahrungsmittel-Aufnahme allerdings manchen wir eine drastische Ausnahme. Wo immer es geht, wollen wir auf unsere Deutsche Markenbutter nicht verzichten. Auf Kurztrips haben wir sie schon mal in Kühltaschen dabei, aber auf lange Sicht  - wie hier auf der Burg - kommt es schon mal zum Point of No Return in der Vorratshaltung. 

Obwohl wir hier unseren Butter-Verbrauch - auch aus gesundheitlichen Gründen - drastisch eingeschränkt haben, gehen wir da keine Kompromisse ein. Selbst die Südtiroler Butter aus Sterzing/Vipiteno, die es in die Regale hier geschafft hat, befriedigt unsere Ansprüche da nicht,. Aber weil Europa eben doch zusammenwächst, führt unser Bio-Laden am Hafen in Oneglia "Berchtesgadener Almbutter". Dass er uns für sein exklusives Angebot pro Päckchen 3,50 Euro abknöpft, akzeptieren wir deshalb auch zähneknirschend.

Zur Ehren-Rettung des vielfältigen italienischen Butter-Angebotes muss ich aber sagen, dass es hier ganz ausgezeichnete Varianten gibt - sie schmecken uns nur nicht beim Frühstück oder generell auf Brot.

Zum Kochen unter gleichzeitiger Verwendung von Öl und Butter gibt es hier aber wiederum Produkte, die dann sogar ein wenig besser geeignet sind als unsere Markenbutter. Herausragend ist - um nur ein Beispiel zu nennen - die aus Sahne hergestellte schlohweiße Butter aus der Po-Ebene, die aus meiner Sicht zum Beispiel - wie schon beschrieben - an Bottarga-Spaghetti nicht fehlen darf. Auch für die nur auf der Haut gebratenen Fisch-Filets (hier wird ja Fisch in erster Linie auf dem Kochstein, dem pilastro oder al ligure in der Ofen-Reine gegart)  ist sie hervorragend geeignet. 

Auf das einseitig mit Butter kross gebratene Filet kommt aber dann natürlich beim Servieren auf die Fleisch-Seite ein kräftiger Schuss Extra Vergine als Referenz an die Zweit-Heimat...

Das bringt mich zum eigentlichen Anlass meines heutigen Briefes:

Zutiefst verunsichert durch diverse Berichte in jüngster Zeit haben die "Zweitbeste" und ich  heute eine Extrra-Vergine-Blindverkostung  durchgeführt. Gustavo hat uns nämlich wieder von seinem selbst gepressten Öl aus eigenem Anbau vorbei gebracht, dessen Liter-Preis sich seit Jahren nicht verändert.

Sein Öl trat gegen das Premium-Produkt an, das wir - wie bereits berichtet - gegen die Bonus-Punkte des Supermercato eingetauscht hatten. Zwei Liter vom Letzteren kosten soviel wie fünf vom Ersteren.

Test-Träger waren frisch gewaschene Zeige-Finger links sowie rechts, die in einen zuvor neutralisierten Mund gesteckt wurden.
Jetzt kommt es: 
Das Premium-Öl war dick und smaragdgrün und schmeckte viel intensiver als das von Gustavo, das leicht lindgrün und  auch dünnflüssiger war. Meine Frau bevorzugte sofort das von Gustavo  wegen seines "ehrlichen" Geschmacks. Ich fand das Premium-Öl besser, weil ich gerne mal einfach nur Öl und Salz auf ein ofenfrisches Brot träufele. Aber der "Supermarkt-Bonus" war schon allein zur Farbgebung deutlich sichtbar mit mosto d'oro verschnitten - und auf einen besonderen,  vorrangigen Geschmack hin designed.

Letztlich sind wir froh, dass wir beide haben. Wir werden auch die nächsten Bonuspunkte wieder so eintauschen, aber nicht nur aus preislichen Gründen Gustavos leicht fruchtigem, ehrlichen Öl  den Vorzug geben. 

Da sind wir allemal kompromissbereiter als bei der Butter-Frage...

Dienstag, 8. Juli 2014

Zurück ins Mittelalter

Bei dem meist sonnigen Gemüt der "Zweitbesten" kommt es selten vor, dass sie von mir derart beschimpft wird. Gestern war es mal wieder soweit. Den ganzen Tag war sie unruhig, genervt und hat obendrein noch ein paar wichtige Dinge, die sie erledigen wollte, vergessen.

Dabei hat sie sich nur instinktiv so verhalten, weil sie uns warnen wollte. Sie ist ja keine. Sie verhält sich doch nur wie eine Gewitterziege, weil sie damit im besten Sinne der bäuerlichen Wetter-Vorhersage ein bevorstehendes Unwetter ankündigt. Allerdings muss ich mich dagegen verwahren, dass auch der bäuerliche Regel-Reim auf sie zu träfe ("Stinkt die Ziege gegen den Wind, kommt das Gewitter ganz geschwind").

Ich war ja auch nicht in bester Stimmung gestern! Es war so drückend und schwül, aber als der leichte Wind vom Meer, die berühmt berüchtigte brezza libeccata als untrügliches Zeichen einsetzte, hatte diese mich auf der Terrasse schon sanft entschlafen lassen. Am späten Nachmittag und am frühen Abend gab es keine weiteren Warnhinweise - außer eben der äußerst schlechten Laune - der Zickigkeit  meiner Frau.

Wäre ich ihr besser nicht aus dem Wege gegangen. Dann hätte ich auch das nahende Unheil gespürt. So hatte ich die Kopfhörer auf und bemerkte es erst, als mit dem ersten Monster-Blitz nicht nur mein Computer verstarb, sondern mit ihm unserer gesamte Stromversorgung auf der Burg. Wir zählten zehn, zwölf Blitze innerhalb einer Minute und mussten noch dankbar für diese Licht-Quellen sein, denn ansonsten herrschte tiefste Finsternis - wie im Rektum des Leibhaftigen (eine durchaus mittelalterliche Vorstellung!?).

Gleichzeitig ging ein Regenguss hernieder, der uns wieder einmal fluchen ließ, dass wir aus reiner Nostalgie die Fenster im obersten Stock, der von unserem Wohnzimmer eingenommen wird, nicht auch mit neuen Fenstern ausgestattet haben. Bis wir Feuerzeuge (wir rauchen ja beide nicht mehr) oder Streichhölzer zum entzünden diverser Kerzen-Leuchter gefunden hatten, wurde die Flut schon derart durch die knorrigen Holzrahmen gepresst, dass sämtliche Vorhänge und Teppiche pitschnass waren. Die Schlagläden noch zu schließen, war bei dem Sturm unmöglich. Wie auf einem sinkenden Schiff versuchten wir die Lecks mit großen Badetüchern zu stopfen, aber dann resignierten wir vor den Himmelsmächten und genossen irgendwie aber diesen Rücksturz ins Mittelalter: Ohne Licht in diesem ohrenbetäubenden Lärm zwischen dem flammenden, alten Gemäuer. So schnell kann es also gehen, wenn der Klima-Wandel uns beutelt.

Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei, und an der Funzel auf der Piazza erkannten wir dann auch, dass die Stromversorgung wieder hergestellt war. Also runter wie Quasimodo - auf glitschigen Stufen mit dem Kerzen-Leuchter in der Hand den Kipphebel im Sicherungssicherheitskasten umgelegt. Und siehe, die Jetztzeit hatte uns wieder.

Die Computer-Anlage hat es auch überlebt, und so konnte ich heute Herkunft und Wandel des Begriffes Gewitterziege nachlesen:

Der germanischen Mythologie zufolge, wurden Gewitter ausgelöst, weil sich Donner-Gott Thor in einem Wagen von zwei Ziegenböcken über das Firmament ziehen ließ. Dieser Glaube wurde vermutlich durch die generell sensible Wahrnehmung der Ziegen angeregt, die sich bei vielen Naturvölkern in Ritualen nieder schlägt. Wer bei den Beduinen im Ziegen-Kuskus beispielsweise die Augen der Ziege zugeschoben bekommt, sollte sich durch deren Verzehr nicht nur geehrt fühlen, sondern erhält in der Überzeugung seiner Gastgeber dadurch auch eine besondere Weitsicht.

Ich habe sie unter Vorgabe anderer Glaubensmotive am Ein El Agdar einst verschmäht. Deshalb habe ich eben auch nicht erkannt, weshalb meine Frau so "rumgezickt" hat...

Sonntag, 6. Juli 2014

Aus eins mach drei

Lesern, die sich absurder Weise an Details meines Geschreibsels erinnern, wird es gefallen, dass ich heute mal über einen Akt von erfolgreich geplanter Nachhaltigkeit berichte:

An dessen Anfang stand im vergangen Jahr die ultimative Forderung der "Zweitbesten" eine Yukka-Palme zu fällen und zu entsorgen. Zugegeben - das in die Jahre gekommene, etwa drei Meter hohe Reff mit Rückgrat- Verkrümmung und den ausgefransten Blättern war keine Zierde mehr für unsere Piazza und schon gar nicht für die Fertilität seiner Gattung. Aber ich fand - weniger aus Mitleid mit dem rachitischen Gewächs, sondern als Akt revolutionären Widerspruchs, dass eine, die die Schönheit der Piazza derart autoritär bestimmen will, auch mal einen Denkzettel verdiente...

Zwar kam ich dem Befehl meiner Frau nach, das Teil zu fällen, aber ich entsorgte es nicht. Vielmehr schnitt ich zwei Filets aus dem Stamm und ließ auch das Wurzelwerk in dem längst gesprengten Ur-Topf. Dazu muss ich meiner Leserschaft aber gestehen, dass ich ursprünglich aus dem aktiven Widerstand gegen die angestrebte Weltherrschaft der Yukka-Gewächse stamme, weil mir meine Mitarbeiterinnen früher in mein Büro schier unverwüstliche Exemplare stellten. Wussten die doch, dass ich mit Kaffee-Resten, Zigaretten-Stummeln und CocaCola nichts unversucht ließ, deren Sprießen zu unterbinden.

Nun ist eine das letze Überbleibsel aus meiner einst blühenden Firma und steht nach zwischenzeitlicher Auslagerung in die Wohnung meines Sohnes (der sie ähnlich rüde behandelte wie ich) nun wild wuchernd in unserer Münchner Wohnung und ist dabei aus dem Glashaus ein Palmen-Haus zu machen... Der kluge Leser ahnt, das Ding hat mich also längst zur "fünften Kolonne" seiner Gattung gemacht. Ich bin jetzt einer von denen geworden, die ihrem globalen Überwuchern Vorschub leisten.

Tatsächlich bin ich heimlich her gegangen  und habe den Yukka-Stumpf samt Topf in einer schattigen, zugigen Ecke versteckt und die zwei übrigen Teile des Stammes - ebenso getarnt - einfach in mit Schotter beschwerte Töpfe gesteckt. Zumindest - dachte ich - wäre ich damit als "Rekrutant" meinen geheimen Verpflichtungen gerecht geworden. 

Wie erwähnt, war der Winter hier oben äußerst hart, stürmisch und nass. Man möchte meinen, dass dies kein Klima für Palmen-Gewächse ist. Aber wenn es einen Beleg dafür gibt, dass wir dereinst vom grünen Terror auf die Palme gebracht werden, dann ist es unsere Piazza. An ihren strategisch wichtigen Zugängen erheben sich - aus dem Schutt auferstanden - drei prächtige Fächer; stolzer und grüner als ihre mickrige Mutter und offenbar auch noch widerstandsfähiger.

 Aber was das Schlimmste ist, dass sie offenbar nun auch die "Zweitbeste" umgedreht haben. Denn sie gießt sie euphorisch.

Was klagt die Menschheit über die NSA-Aktivitäten. Sie hätte meine unterbinden sollen. Jetzt ist es zu spät, dem Yukka-Terror noch Einhalt zu gebieten...

Mittwoch, 2. Juli 2014

Geisterhäuser

Seit gestern hat Italien die EU-Ratspräsidentschaft. Was natürlich zum Schwadronieren über die wirtschaftliche Befindlichkeit der Stiefel-Bewohner einlädt; sowohl von außen als auch von innen. Manche erwarten von Matteo Renzi Wunder-Dinge, andere bezeichnen ihn sogar schon als Berlusconi in Westentaschen-Format. Wie immer geht es dabei eher um Emotionen als um Fakten. Wobei die Fakten-Lage Italiens ja wirklich haarsträubend ist, aber das berechtigt andere "Muster-Europäer" nun wirklich nicht, das mit Klischees und Vorurteilen zu kommentieren.

Egozentrisch denkende Volkscharaktere wie den spanischen, den griechischen und eben auch den italienischen von den Segnungen eines geeinten Europas zu überzeugen, bedarf  keiner erhobenen Zeigefinger, sondern vielleicht eher einer Ermutigung, sich auf traditionelle Stärken zu besinnen und dies dann auch hoffnungsfroh zu loben. Genau das tut Renzi, sonst bekäme er nämlich seine Reformen nicht gebacken.

Italien verfügt im Volk - wie kein anderes in Europa - über stille Reserven, die dem Staat vorenthalten werden. Da ist zum einen die nach wie vor grassierende Schludrigkeit beim Erheben und Entrichten verschiedenster Steuern. Zum anderen die Schwarzarbeit unter dem Deckmäntelchen der Nachbarschaftshilfe, die ja hier quasi einen historischen Ursprung hat. Da ist es dann klar, dass die, denen Steuern und Sozialabgaben mit dem Lohn oder Gehalt abgezogen werden, sich immer mehr als Außenseiter einer in erheblichem Wohlstand lebenden Gesellschaft fühlen. Dass das deutsche Steuersystem auch erhebliche Lücken hat, wissen wir ja spätestens seit den jüngsten Promi-Schwarzgeld-Affären. Dennoch stünde Italien mit diesem weit vor allen anderen europäischen Nationen und müsste nicht einen Staatshaushalt hinnehmen, der derart drastisch höher ist als sein Brutto-Sozial-Produkt.

Der Pro-Kopf-Besitz an privatem Wohnungs- und Haus-Eigentum ist wesentlich höher als bei uns, und er hat auch nichts mit einer möglicher Weise bald platzenden Spekulationsblase zu tun, das durch zu hoch finanzierte, neue Immobilien entstehen könnte. Nach den Schleuder-Veräußerungen der 60er und 70er Jahre haben die meisten Italiener längst erkannt, dass Bestandsimmobilien wertbeständiger sind als jedes andere Investment. 

Jeder übrig gebliebene (schwarz verdiente?) Euro scheint derzeit zumindest hier auf der Burg in den Ausbau, die Modernisierung und die Werterhöhung geerbter, seit jeher bestehender und immer noch geisterhafter Gemäuer investiert zu werden, obwohl die Miet-Nachfrage bei Ferienwohnungen heuer äußerst mau läuft. Aber man macht das eben nicht, weil  wie vor zwei Jahrzehnten auf  eine neue Welle wohlhabender Romantiker von nördlich der Alpen als Käufer gesetzt wird. Jetzt soll der Besitz im eigenen Land bleiben. - Die letzten Käufer hier oben, waren allesamt Italiener.

Ich versuche es mal mit einem Beispiel: 
Vor ein paar Jahren verstarb in der Nachbar-Gasse keine dreißig Meter von uns entfernt ein altes Paar das wir ebenso wenig wahrgenommen hatten, wie die Eingangstür zu ihrem Haus, an der wir zigmal vorbei gegangen waren. So unscheinbar war ihr Leben.

Als die Erben, aus einer norditalienischen Großstadt kamen, um ihren Besitz, von dem sie ebenfalls nichts wussten, zu inspizieren, wurden die Zweitbeste und ich eingeladen, mit zu gucken. Es war ein überraschendes wenn nicht gar gespenstisches Erlebnis: Eine Film-Kulisse des Novo cento erwartete uns. In einem Zimmer neben der Eingangstür saßen auf einer Couch zwei Kinder - Junge und Mädchen - als lebensgroße Puppen; angestaubt wie der Rest des  sich hinter dem Flur  riesig erweiternden Hauses. Nach dem fünften, komplett eingerichteten Zimmer und der zweiten Küche und dem zweiten Bad habe ich dann aufgehört staunend mit zu zählen Erst auf der zwanzig Meter breiten Terrasse mit komplettem, unverstelltem Meerblick kam ich wieder zu mir und meinte halblaut, dass sich das Anwesen wohl in kürzester Zeit zum Höchstpreis verkaufen ließe...

Die jungen Leute hatten jedoch keine Euro-Zeichen in ihren Pupillen, sondern meinten nur lapidar, dass sie niemals verkaufen würden. Später erfuhr ich, dass besonders zu diesem Haus, das so unscheinbar wirkte, auch noch - wie bei den hundertjährigen Geschwistern und anderen Alteingesessenen hier oben - umfangreicher Land-Besitz gehöre. Seit ihrem Besuch wurde tatsächlich nicht verkauft, aber an dem Haus auch nichts mehr gemacht.Die Erben ließen sich aber auch im Bewusstsein ihrer stillen Reserven hier nicht mehr blicken.

Solche Geisterhäuser gibt es in unserem Borgo mittlerweile einige. Auch zwei auf der Ostseite unserer Piazza, in denen einst Magazine gewesen sein sollen. Die Ringe zum Anbinden der gewaltigen Transport-Ochsen sind ja heute noch zu sehen. 

Kürzlich kam erstmals die Besitzerin des einen und bat die Zweitbeste, doch mit hinein zu gehen - weil sie sich wohl allein nicht traute. Einer unserer verstorbenen Ruinen-Baumeister hatte uns einst berichtet, dass es in beiden mal einen übergreifenden, öligen Brand gegeben hätte, der es unmöglich mache, die Sandsteinmauern innen zu verputzen oder gar zu streichen. Es müssten unter erheblicher Einbuße von Quadratmetern neue Wände davor gesetzt werden... Die Dame aus Imperia hofft dennoch, zu verkaufen und schielt dabei auf die remissa unserer Nachbarin Edna, die seit zwei Jahren den direkt an unser Haus grenzenden, ehemaligen Speicher als Appartement ausbauen lässt: Immer mal wieder von unterschiedlichen Arbeitern aus Nordafrika, die mitten im Bauabschnitt wieder verschwinden...

Es sind aber tatsächlich die Omas dieses Landes, die bereits erkannt haben, dass es ihren Enkeln erstmals schlechter geht als deren Eltern. Die greifen nun - wie eine betagte Volkswirtin es gestern ausdrückte - auf diese stillen Reserven zurück, damit die Enkel-Generation einst zumindest mietfrei wohnen könne. Bei Quadratmeter-Preisen bis zu 8000 Euro im überlaufenen Imperia zum Beispiel ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Euro-Generation erkennt, dass es schicker ist, in geräumigen Gratis-Gemäuern aus der Vergangenheit zu leben, als sich überteuert in die dem Meer nahen, neuen Mini-Appartements zu quetschen.