Freitag, 4. Januar 2013

Alles auf Anfang?

Neulich lernte ich vom Neandertaler durch eine TV-Doku etwas grundsätzlich Neues: Der stirnwulstige Urmensch, der uns in der Schule als Inbegriff der Steinzeit und  Primitivität präsentiert wurde, war in Wirklichkeit ein paralleles Erfolgsmodell zum Homo Sapiens. Allein seine Verweildauer auf Erden von rund 170 000 Jahren bis 30 000 vor unserer Zeitrechnung belegt das. Sowas muss der Homo Informaticus erst einmal schaffen!
Klima-Katastrophen und Eiszeiten sowie die Verschiebung der Kontinente konnten das Überleben des Neandertalers nicht erschüttern, denn er war eben nicht nur extrem anpassungsfähig. Sein Erfindungsreichtum und die Fähigkeit zur Kommunikation - jubeln die Forscher heute - habe dem Sapiens erst den Weg gewiesen. Seine nord- bis mitteleuropäische Ausrichtung südwärts habe zudem den Vorteil eines unbewussten Zeit-Managements in das Verschmelzen mit dem sich zunächst  in Tag-Nacht-Gleichheit unter dem Äquator entwickelnden Sapiens gebracht.

Reste der bio-rhythmischen Reaktionen,die dieses unbewusste Umgehen mit der  Zeit einst beim Neandertaler prägten, können wir heute noch bei uns feststellen, auch wenn sie einem permanenten inhaltlichen Wandel unterworfen sind. Ich meine den Umstand, dass der Sapiens spätestens ab November voller Unruhe der Wintersonnenwende entgegen lebt und sein Wesen auf ein paar Tage zum Ende und Beginn eines neuen Jahres seiner von ihm selbst geschaffenen Zeitrechnung ausrichtet. Ich spreche von Weihnachten und Neujahr, den Festtagen. Was ballen sich da nicht Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche und Vorsätze, die auch zu jeder anderen Jahreszeit gelebt werden könnten.

Und dann sind sie vorbei und hinterlassen nicht selten einen Kater. Bestenfalls, denn nach dieser Zeit des pauschal unsinnigen Verhaltens kommt es vermehrt - wie jüngste Forschungen zeigen - auch zu Depressionen. Weil sich eben doch wieder alles auf einen Anfang schaltet, der Wünsche, Vorsätze und Schicksale nach dem Zufallsprinzip in Gang setzt.

Dabei reagiert das Individuum in Wirklichkeit ganz unabhängig individuell, wenn ihm keine künstlichen Vorgaben gemacht werden. 

Als die Angst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts am größten war, bei einem Einsatz von Atombomben zu verdampfen, wurden in der Nähe von München in einem einige dutzende Meter tief vergrabenen Labor mit vorwiegend freiwilligen Studenten medizinischer und physikalischer Fakultäten Zeit-Wahrnehmungsexperimente gemacht. Die Probanden waren vom Tageslicht und jeglicher Nachrichtenlage sowie sonstigen  Kontakten zur Außenwelt abgeschirmt, konnten aber in ihrem jeweiligen Lebensbereich nach ihrer Facon  ihren Alltag gestalten. Die meisten nutzten diese Zeit, um ungestört für bevorstehende Examen zu büffeln. Sie aßen, wenn sie Hunger hatten, schliefen, wenn sie müde wurden und legten sich Platten auf, wenn ihnen nach Entspannung war. 
Als sie nach einigen Tagen wieder an die Erdoberfläche zurückgeholt wurden, waren sie ebenso überrascht wie die wissenschaftlichen Begleiter, dass sie sich bereits in einer gänzlich anderen Tageszeit gewähnt hatten. Bei manchen gab es tägliche Zeitverschiebungen von bis zu einer Stunde in der Wahrnehmung, weil sie den sonst gewohnten äußeren Beeinflussungen entzogen worden waren.

Mein Umkehrschluss, dass der Neandertaler deshalb so erfolgreich im Überleben war, weil er sich für sein Leben nur an Hell und Dunkel draußen vor seiner Höhle orientieren musste, entbehrt natürlich jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Er bringt mich aber thematisch zu dem traurigen Umstand, dass ich die bei 17 Grad in der Sonne erstrahlende Burg nun verlassen muss, um ins Dunkel des deutschen Winters zu reisen.

Traditionell gibt es also bis zu unserer Rückkehr Ende April keine Burgbriefe mehr. Ob die harmoniebedürftigen Burgbriefe-Leser indes gewillt sein werden, die ab nächster Woche heftig im Glashaus geworfenen Steine zu ertragen? Es hat sich bei mir in meiner Eigenschaft als Wutbürger einiges angestaut.

Bleibt mir dennoch gewogen...

http://steineausdemglashaus.blogspot.com/