Samstag, 8. Oktober 2011

Was vom Sommer übrig bleibt

Tasso ist zurück. Der Dorf-Dachs ist seit einigen Tagen wieder mit den Krallen kratzend in den Gassen unterwegs. Diesmal allerdings hat Folletto Buono ihn erlegt. Nur mit der Kamera natürlich, und unter Anlockung durch leckere Nektarinen. Das ganze in ihrem Schlafloch morgens um vier.
Gustavo ist nach einer kurzen Aushäusigkeit wieder mit der Sammlerin farbigster Jogging-Anzüge zusammen. Allerdings werde ich Carina nie wieder so nennen, weil sie die Männeraugen in diesem schier nicht enden wollenden Sommer ausschließlich mit eng und kurz in Trikots gefassten Rundungen erfreut hat. Und das obwohl sie gerade zum x-ten Male Großmutter geworden ist. Nach Gustavos Meinung sei er bei der Fürsorge für die winzige Enkelin zu kurz gekommen. Jetzt hat sich die erste Oma-Euphorie gelegt, aber Ginger darf immer noch nicht rein...
Außer den Dauer-Residenten sind nur noch Künstler und Golfer im Ort. Eigentlich wollten auch wir heute unseren Lebenschwerpunkt wieder nach München verlagern, aber als Bayern3 von Schneefall auf den Voralpenstraßen berichtete, haben wir uns kurzerhand entschlossen, noch eine Woche dranzuhängen. Die Freiheit nehmen wir uns, denn 23 Grad im Schatten sind nun einmal angenehmer...
Gewitter über Porto Maurizio       Aquarell auf Bütte












 Was bleibt von diesem ereignislosen, faulen Sommer hier oben in Erinnerung?
Dass es nur dreimal in sechs Monaten geregnet hat, dass diese Gewitterstürme aber trotz ihrer Kürze so ergiebig waren, dass alle Ernten wohl zur Zufriedenheit ausfallen. Einmal war unsere Gasse nicht nur die übliche Kajak-Wildwasser-Strecke, sondern brachte Schlamm und Geröll vom Pass mit, der noch tagelang in den scharfen Kurven des Borgos lag.
Die Gemeinde hatte zwar angekündigt, auf der Piazza wieder Veranstaltungen durchzuführen, aber es dann wohl aus Geldmangel gelassen. Vermutlich war die Kunde von unserem monatlichen "Cena sotto le stelle" mit den Nachbarn bis in den "Capo Luogo" hinunter gedrungen und hat da die Auffassung hinterlassen, dass die Burggeister auch ohne  Titiana, die Kulturschaffende, auskämen.
Es haben auf der Piazza erstmals auch Leute wieder miteinander geredet, die dies - aus welchen Gründen auch immer - jahrelang nicht getan hatten.
Fünf liebevoll restaurierte Häuser mit ihren jahrelang gelebten Träumen von einem anderen, diesseitigen Leben stehen aus Altersgründen oder aufgrund von Todesfällen zum Verkauf. Abbiamo crisi - ob wir bald neue Mitbewohner haben, ist da fraglich. Ein paar Spekulanten lauern allerdings...
Ricolta    Acryl auf  Karton
Auch mit der Verlängerungswoche schleichen sich die üblichen Abschiedsschmerzen in die Seele. In der Obstschale liegen die letzten Früchte, der Tiefkühler ist nahezu leer, und der alte Traum, nur mit einem Täschchen ins Auto zu steigen, wird wieder einmal platzen. Die Signora will unbedingt ein paar Bilder von mir transferieren. Die Wände über vier Stockwerke sind einfach zu voll geworden. Dabei war das nicht unbedingt mein fleißigstes Jahr.
Ob ich meine Arbeiten durch die Veröffentlichung in diesem Blog vor dem Vergessen bewahrt habe, wird sich zeigen.
Vielleicht hat ja der eine oder andere meiner Leser Interesse, eines meiner Bilder zu erwerben. Nur zu, mailt mir oder postet einen Kommentar zu einem, das Euch besonders gut gefallen hat!



In der letzten Oktoberwoche beginne ich wieder mit dem Steinewerfen aus dem Münchner Glashaus. Das wird vermutlich ein regelrechter Geröllschlag werden - soviel hat sich in den "Friedenszeiten" hier auf der Burg angestaut.
Herbst im Appenin        Oil on Canvas

Kommt gut über die kalte Jahreszeit und bleibt mir als Leser treu! Es warten wieder jede Menge skurriler Wettbewerbe und Preise auf:


http://steineausdemglashaus.blogspot.com/

Sonntag, 2. Oktober 2011

Paarlauf

Ob jung, ob alt - alle können Mazurka tanzen


















Während morgen in Deutschland mit dem 3. Oktober unsere Wiedervereinigung gefeiert wird, zelebriert hier am heutigen Sonntag mit Rosario und  dem Großeltern-Tag (Festa dei Nonni) Italien im 150sten Jahr seines Bestehens einen seiner letzten Höhepunkte zum Ausklang der warmen Jahreszeit.
Gestern wurde unter der Burg mit einer Sagra auf dem ehemaligen Sportplatz zu Füßen der renovierten San Giovanni Batista mit vielen Opas und Omas hineingefeiert.
Seit die geniale Küchenmeisterin Antonia (inzwischen Ur-Ur-Großmutter) das Regiment bei diesen ehrenamtlichen und gemeinnützig veranstalteten Dorffesten nicht mehr führt, gehe ich eigentlich nicht so gerne hinunter. Denn bei immer noch ungebrochener Popularität kommen die Leute auch aus weit entfernten Nachbartälern, und man steht sich die Beine in den Bauch, um mittlerweile für doch recht saftige Preise nur noch die üblichen Standards auf die Plastikteller gehäuft zu bekommen. Früher gab es mal Totani in umido con Piselli oder Tagliatelle con lepre, und bei den Spiedini mit Ziegenfleisch konnte man einfach nicht aufhören zu knabbern...Selbst die gewöhnungsbedürftigen ligurischen Schnecken-Gerichte erreichten Spitzennoten.
Aber längst habe ich (als schlimmer Tanzmuffel) begriffen, dass das Essen auf einer Sagra wie dieser  nebenrangig geworden ist, und die Preise sind wegen des Engagements ligurischer Spitzenkapellen dann auch gerechtfertigt: Es geht nämlich  in erster Linie darum, genug Kalorien für den gleich darauf folgenden Tanz-Marathon reinzuschaufeln. Denn alles, was in so einer Notte magica zählt, sind Mazurka und Tango.
Die Mazurka war ja ursprünglich ein Volkstanz aus Mazuren - also Polen, daher auch Polka - und bekam ihren italienischen Charme wohl durch den Maestro Francesco Pezzini, dem Franz Liszt mit der Polka Mazurka ein musikalisches Denkmal setzte.
Ganz geradeaus eins, zwei, drei, vier mit dem Gewicht  links ausgepägt - eins, zwei, drei, vier rechts ausgeprägt. Dann auf der Stelle mit einer kleinen Verzögerung drei kleine Schritte in der Drehung. Aber wehe, man verpasst den Paukenschlag, auf den alle Tänzer still zu stehen haben, bevor es bei Neuaufnahme der Melodie wieder genauso weiter geht...
Es macht einen unheimlichen Spaß, dieser Begeisterung auf dem Weg zum vollendeten Paarlauf zuzuschauen. Meine nicht allzu große Frau hatte vor einigen Jahren mal mit einem etwas kleineren Landarbeiter eine ganze Nacht lang Mazurka getanzt und ist seither süchtig. Obwohl der Mann nicht besonders gut gerochen habe, hätte seine Meisterschaft als Tanzpartner sie geradezu in Euphorie versetzt. Als sie endlich erschöpft aufgab, stellte sich heraus, dass der Unermüdliche bereits die 80 überschritten hatte. Überhaupt fällt es auf, dass die Mazurka offenbar alters- und geschlechtsmäßig ein Gleichmacher ist. Dass selbst Jungs und Mädels im Disco-Alter ihren Spaß mit älteren oder jüngeren Partnern haben. Wobei vor allem die richtig Alten durch ihr Stehvermögen auffallen.
Da tanzt die solargebräunte und blond extenste Dorfschönheit mit ihrer Großmutter federleicht Runde um Runde. Wobei natürlich die feine, alte Dame rigoros führt. Unser Frantoio schwingt das Tanzbein mit allen Damen, die nicht rechtzeitig  hinter dem Maschendrahtzaun verschwinden, und der Ex-Bürgermeister weiht seine kaum  richtig laufende Enkelin bereits in die Schrittfolge ein. Dabei wird auch klar, wieso die ganz Jungen schon Mazurka tanzen können. Denn wenn die meisten noch beim Essen sind, läuft ein Band mit den populärsten Melodien, und ein Erwachsener findet sich immer, der die Kleinen spielerisch rannimmt. Dass die dann später zwischen den ernst mitzählenden und konzentriert zur Sache gehenden Paaren Fangen spielen, stört niemanden. Das ist eben einfach so ein unnachahmlicher "Italienischer Moment".
Nach zwei, drei Gläsern Wein merke ich immer, wie sich meine Füße auf der Tribüne verselbständigen. Dann nehme ich mir meist vor, bei der nächsten Sagra nicht mehr so feige und faul zu sein. Denn alle können zwar die Schritte, aber beileibe nicht jeder erreicht die Meisterschaft, die Mazurka gleitend zu tanzen. Die wenigen, die Kopf- und Schulterpartie ruhig durch den Kreisverkehr gleiten lassen, sind sofort wahrzunehmen. Da wird wohl so ein alter Tanzbär wie ich wohl doch nicht auffallen, wenn er sich ganz klein macht!
Mal sehen...