Sonntag, 18. September 2011

Wie kann man nur einen Pfau essen?

Der Pfauenkönig von Gilleleje                  Öl auf Leinwand gespachtelt








Pfauen spielen als Motiv für meine Bilder fast so eine große Rolle wie der Mond. Ich liebe die radschlagende Zurschaustellung ihrer männlichen Eitelkeit und die Tatsache, dass kein Federkleid dem anderen gleicht. Pfauen, die ursprünglich aus den Dschungelzonen des indischen Subkontinents stammen, sind mittlerweile in Züchtungen auf der ganze Welt verbreitet und lösen allerorts Begeisterung aus.
Pavone alla Mantegna     Acryl auf Pappe
Dennoch ist der Pfau in unseren Breiten für den Hausgebrauch irgendwie aus der Mode gekommen, seit es die großen, privaten Parks des Adels nicht mehr gibt. Das gilt erstaunlicher Weise auch für Italien, wo sein Machogehabe ja sprichwörtlich ist. Dabei sind die Weibchen in ihrem eher monochromen Federkleid neben ihrer speziellen Attraktivität auch so wehrhaft, dass sie das Auftreten ihrer Begatter mitunter ganz schön zurechtrücken. Jedenfalls konnte ich das einmal in dem herrlichen Park von Gilleleje auf der dänischesn Insel Mjön beobachten. Da hat eine Henne den Pfauenkönig ziemlich herzhaft abgewatscht, als sie nicht so wollte, wie seine Selbstherrlichkeit es sich gerade gedacht hatte...
Und jetzt wird's heikel:
Wir essen Fasanen. Flugenten und Spielhähne, ohne dass aus ethischen Gesichtspunkten darüber diskutiert wird. Und auch das Perlhuhn ist ja ein attraktiver Vogel, der in der Gourmet-Küche das Massenzucht-Hähnchen längst abgelöst hat. Wieso schaudert es einen dann bei der Frage, ob Pfauen gegessen werden können beziehungsweise dürfen...?
Mir ging es jedenfalls vor vierzig Jahren so. Veroneser Freunde hatten uns - lange bevor die Gourmetwelle über Europa schwappte -  zu Italiens Kochlegende Angelo Berti in dessen Restaurant "Taverna Degli Artisti" in Revere hinterm Deich des Po eingeladen. Bei Berti musste man Essen, was auf den Tisch kam - wie hier in den ligurischen Traditionsrestaurants. Es gab auch ebensoviele Gänge. 14 waren es mindestens, und einer davon war in jener Nacht "Pavone alla Mantegna" - also Pfau - wie ihn Hausfrauen aus Mantua seit Jahrhunderten zubereitet hatten.
Der einziartige Geschmack des im Ölpapier-Beutel mit Parmesan und Hackfleisch im Ofen geschmorten Pfauenfleisches machte jedes schlechte Gewissen platt. Und ein paar Jahre später bei Reisen durch Indien und auf der malayischen Halbinsel erlebte ich, dass dort der domestizierte Pfau - vor allen seine Hennen - als Fleischlieferanten völlig normal sind.
Dennoch die Zeiten und das Bewusstsein haben sich eben (vielleicht auch zurecht) gewandelt, und das Rezept wird hier in Italien nun auch wahlweise mit Truthahn oder Perlhuhn  verwirklicht.  Natürlich müssen die dafür  eben auch geschlachtet werden ...
Angelo Berti, der 2009 hundertjährig an seinem Geburtstag starb, ist vor allem deshalb als Legende unsterblich, weil er all die Casareccia-Rezepte der Vergangenheit dokumentiert und celebriert hat. Eine wahre Sammelwut ist um seine "Pavone alla Mantegna"-Teller entbrannt. Doch Vorsicht, sie werden so hoch gehandelt, dass sich bereits Fälschungen lohnen.


Pfau im japanischen Garten          Oil on Canvas

Donnerstag, 15. September 2011

Denkzettel

Denk Dir nur...    Deckblatt Libretto: Mann vom Meer  Acryl auf Cartoon

















Aus aktuellem Anlass auf die Bundesregierung anzuwenden: Ein Gedicht von mir.


DENK DIR NUR - WELCH' WONNE 
DREI MANN IN EINEM BOOT...
LENK MIR ZUR LETZTEN SONNE
DEN KAHN INS ABENDROT

EINER MUSS DEN KURS ANGEBEN
DU STEUERST IHN DANN BLOS
NUR ÜBER'N SUND - WIRST'S ÜBERLEBEN
WAS BEDENKEST DU DA GROSS?

DAS EINER RUDERN MUSS?
TUT DAS DOCH DER IN DER MITTE 
HAT ER JA KRAFT IM ÜBERFLUSS
DAZU IST ER DOCH DA  - DER DRITTE

AM RIEMEN SICH REISSEN
UND SICH IN SIE LEGEN
SOLL JENEM VERHEISSEN:
SICH REGEN BRINGT SEGEN!

DAS WÄR' JA DOCH GELACHT
WENN'S IM BOOT NICHT FUNKTIONIERTE:
DER ORIENTIERTE UND DER, DER ÜBERWACHT...
SO IST'S - DAS ALTE SPIEL DER MACHT

DER IN DER MITTE TUT ZWAR DIE ARBEIT
DOCH HAT ER NACHGEDACHT:
LEISE, S'WAR JA AN DER ZEIT,
LIEF  ER AUS DEM RUDER MIT BEDACHT

INDEM ER'S RUDERN SEIN LIESS
UND MITTEN AUF DER REISE  GANZ SACHT
BEIDE AUS DEM NACHEN STIESS
- HAT DER SICH EIN'S GELACHT!

Sonntag, 11. September 2011

Vollmond

Und aus den Wiesen steiget....                  Ölkreide und Gouache auf  Bütte


Mag ja sein, dass die Wissenschaft aktuell den Einfluss der Vollmond-Phase auf sensible Menschen weitestgehend entmystifiziert hat. Aber hören Gläubige auf zu glauben, wenn sie auf all die Widersprüchlichkeiten in religiösen Texten und Überlieferungen hingewiesen werden?
Ein Agnostiker wie ich hat es auch in solchen Fragen mit seiner Standartantwort leicht: Ich weiß einfach nicht, wieso der Mond Einfluss auf mich hat.
Mondscheinbad mit Tiger                   Öl auf Bütte (progetto)
In der westlichen Krümmung des bereits herbstlichen Himmels über dem Borgo war der Vollmond in dieser Nacht riesig; etwa doppelt so groß wie normal. Er erschien auch heller und hielt mich deshalb vom Schlafen ab. Quatsch! Bei 0,2 Lux maximal gäbe es keine biologischen Auswirkungen, stellte die Wissenschaft fest...
Während ich mich sonst schlicht weigere, Gäste zu Abendflügen nach Nizza zu fahren, leiste ich bei Vollmond im November nie Widerstand - obwohl mir der Grund immer erst bewusst wird, wenn ich über die Autostrada dei Fiori heimfahre. Dann nämlich steigt noch frühabends eine Riesenscheibe aus dem Ligurischen Meer. Sie ist dann nicht blaßsilbrig, sondern rotgold und versetzt mich mit der Schönheit des Gesamtbildes in eine oft tagelang anhaltende Euphorie.
Das italienische Wort für launenhaft heißt "lunatico" und verweist auf den Wortstamm luna, worauf vermutlich auch unser Wort Laune irgendwie zurückzuführen ist. Leider bin ich ein ausgesprochen launischer Mensch, der unter seinen Gemütsschwankungen selbst am meisten zu leiden hat. Aber wenn ich auf die über sechs Jahrzehnte meines Lebens zurückblicke, sind mir viele Vollmondnächte mit ihren Erlebnissen unauslöschlicher in Erinnerung als all die grandiosen Sonnentage, deren Eindrucksfülle mich oft genug zu erdrücken drohte. Und darin liegt möglicherweise ein Erklärungsschlüssel: Vollmondnächte kommen eben einfach viel seltener vor als Sonnentage. Und möglichwerweise erleben wir sie deshalb als etwas besonderes und verhalten uns daher anders.
Einer meiner Nachbarn hier ist ein bedeutender Kameramann, der mit den Größten der großen Regisseure zusammengearbeit hat und jetzt an seinen Memoiren schreibt. Deren Titel: "Der Mond hat Blende 8".
Als Fotograf habe ich den Mond überall auf der Welt versucht, so einzufangen wie ich ihn jeweils gesehen - oder besser - erlebt habe. Es ist mir nur einmal wirklich befriedigend gelungen: in der Wüste.
Als Autor hat man es da leichter, weil der ja die eigene und die romantische Ader des Lesers in Einklang bringen kann.Aber richtig verblüfft war ich über die Frage einer Freundin meiner Kinder: "Wieso malst du so oft den Mond?"
Ich habe keine Antwort, weil mir das bis zu ihrer Frage gar nicht bewusst war. Und jetzt, da es mir bewusst ist, vermeide ich es, tiefer in die Beweggründe dafür einzutauchen.
Klar habe ich - wie alle Kinder - den Mond veralbert: beim Singen von Carl Orffs glerichnamigem Opus oder indem wir den unnachahmlichen Text von Matthias Claudius mit "der weiße Neger Wumbaba" verballhornt hatten. Auch meine aktuelleren Titel von Bildern mit Mondmotiven dokumentieren - ohne, dass es mir bisher klar war - irgendwie lässigen Abstand. So als wollte der Knabe nicht wahrhaben, dass er deshalb so laut pfeift, weil er im dunklen Wald so schreckliche Angst hat...
Zeus und Europa haben's getan                                             Oil on Canvas

Sonntag, 4. September 2011

Bei allen Heiligen!

Johannes der Täufer       Digitally Your's Art-Series
Da kann eine schon mal durcheinanderkommen - mit 92 Jahren! Gestern marschierte Eulalia mit ihrem Stöckchen über die Piazza, um ihren klassischen Stop bei der "Seelensammlerin" einzulegen. In jüngster Zeit zeigt sie immer häufiger in den Himmel und spricht  mit dramatischer Stimme vom "Signor", der sie nun wohl bald zu sich holen wolle. Sie ist absolut klar im Kopf, und selbst den steilen Weg zum Horto der hundertjährigen Geschwister am oberen Dorfrand nimmt sie noch behender als manche der jungen Burgbewohner.
Aber gestern musste ihr der Agnostiker nun doch mal sanft in einer Frage der religiösen Mythologie widersprechen: Als sie nämlich der zweitbesten aller Ehegesponse - getauft unter dem Namen der heiligen Elisabeth - bekundete, Elisabetha sei ja die Mutter vom Vater des Herrn gewesen, worauf sie ja sehr stolz sein müsse.
Wie schon früher beschrieben, kann es sehr verwirrend sein, bei all den Heiligen, die diesen Borgo beschützen.
- Und bei den vielen Kirchen, die dieser drei Fußballfelder große, alte Ort sein Eigen nennt. Da hätten wir an der oberen Piazza "Santa Anna" und am unteren  Dorfeingang "San Giovanni Battista", "San Lorenzo in Horto" in den darunter liegenden Olivenhainen und Gärten, und die Fragmente der ältesten Kirche an unserer Piazza, die ich wegen Kolumbus' diffuser Geburt einfach mal "San Christoforo" zuschreibe, was natürlich aus der Sicht von Gelehrten nicht die feine historische Art ist. Auch die gerade renovierte Kapelle an der Kurve zur Konsortiumsstraße darf nicht vergessen werden...
Apropos diffuse Geburten: Elisabeth, die der Legende nach in späten Lebensjahren ebenfalls eine Prophezeiung hatte, sie werde einem Sohn das Leben schenken, brachte demnach eher "Johannes den Täufer" zur Welt. Hingegen sind die Evangelien im Hinblick auf den Vater Josefs sehr widersprüchlich.
Demzufolge zeugte nach Matthäus 1, 16 Jakob den Josef, während Lukas einem Elis dessen Zeugung zuschreibt. Aber angesichts der "Stiefvaterschaft" Josefs gegenüber Jesus und der Beteiligung des "Heiligen Geistes" bei der Zeugung, gewinnt die sich von Forschern aus der aramäischen Übersetzung abzuleitende Version an Logik, nachdem der Mann an Marias Seite möglicherweise ihr Vater war, also der Vater der Jungfrau Maria, die unehelich mit einem gesegneten Knaben niederkam. Soll ja vorkommen.
In biblischen Quellen findet sich nämlich kein eigentlicher Hinweis auf die Eltern von Maria, die später als Anna und Joachim in die Mystifizierung eingingen. Anna könnte in dem Verwirrspiel also auch die Ehefrau von Josef gewesen sein, was wiederum den seit dem Mitelalter vor allem in der Malerei und Bildhauerei immer stärker aufkommenden "Selbdritt"-Kult plausibel machte. In diesen Darstellungen steht Marias Mutter Anna der heiligen Jungfrau und dem frisch geborenen Jesus zur Seite.Erwachsene Männer fehlen da stets - heutzutage auf  Geburtsfotos undenkbar.
Da eine heilige Anna auch im Leben meiner sehr gläubigen Frau  und dem meinen (dem eines Agnostikers), eine wichtige Rolle gespielt hat, habe auch ich mich mal "malerisch" mit einem Entwurf, einem "progetto" auf des Thema "Selbdtitt" eingelassen. Meine Frau hasst dieses immer noch nicht fertige Bild und hat es zum ewigen Verbleib in der Cantina verbannt.
Es zeigt eine sehr alte Anna mit durchaus sorgenvoller Miene, eine prallbrüstige Maria, die gerade gestillt hat und nicht so aussieht, als hätte sie das ihr Geschehene bereits voll überrissen. Aber das liebe Jesulein, das sich gesättigt auf Marias Schoß räkelt und sich super amüsiert,wird hoffentlich mal als die bestgelaunte Christus-Darstellung in die Kunstgeschicht eingehen.

Donnerstag, 1. September 2011

Jetzt mal den Roten wählen!

Die Kampfhähne                           Oil on Canvas
Wer in den letzen August- oder den ersten Septemberwochen durch ligurische Bergdörfer fährt, die abseits stark befahrener Straßen noch nicht in erster Linie vom Tourismus leben, hat vielleicht Glück, sie noch blitzen zu sehen:
Die großen Weißbleche, auf denen die langen Tomaten und die roten Paprikaschoten filettiert und eingesalzen zur Extremtrocknung für den Hausgebrauch der Sonne ausgesetzt werden. Der enorme Bedarf der Gourmets in aller Welt wird natürlich mittlerweile durch industrielle Trocknungsprozesse befriedigt. Was in der letzten Zeit minuziös auf diverse Gustopunkte ausgerichtete Reifeprozesse ermöglicht. Der letzte Schrei sind jetzt die Trockentomaten, die hellrosa nicht gar so verschrumpelt rüberkommen und die, ohne in Öl eingelegt zu werden, bereits kauweich sind.
Die Paprikaschoten lassen sich offenbar so noch nicht herstellen, oder die Nachfrage fehlt bislang. Wie sie überhaupt selbst auf den Bauernmärkten eine Seltenheit im Angebot sind. Da muss einer die Anbieter schon kennen und sofort zugreifen, wenn er dem mitunter wie rotes Transparentpapier aussehenden Geschmacksverstärker in ausreichender Menge habhaft werden will...
Sobald der variationsreiche Gartenbasilikum für den grünen Pesto langsam abgeerntet ist und nur noch schütter nachwächst, beziehungsweise schon wieder aus dem Treibhaus kommt, wird es Zeit für den roten Pesto, der natürlich mittlerweile auch schon den Gaumen der nordeuropäischen FoodinStyle-Esser schmeichelt.

Wieso ich mich dennoch ermutigt fühle, hier ein Rezept auf der Basis von rotem Pesto zum Besten zu geben? Weil Pesto eben nicht gleich Pesto ist und nicht nur von Tal zu Tal, sondern auch von Koch zu Koch variiert. Beim letzten "cena sotto le stelle" hat mein grüner Pesto von den ausgefuchstesten Köchinnen des Borgos ein mehrfaches Daumen-Hoch bekommen. Bald werde ich ihnen auch meinen Roten auftischen. Aber zuvor haben die Burgbriefe-Leser exklusiv die Möglichkeit, dieses Rezept hier nachzukochen. Wie immer für vier Personen, aber unter dem Hinweis, dass es durchaus angebracht ist, den roten Pesto auf Vorrat zuzubereiten, weil er sich kühl aufbewahrt den ganzen Winter hält und leicht durch weitere Hinzugabe von Öl "verlängert" werden kann...

Maremonti 4

Bucatini con Pollo in Pesto Rosso
Makkaroni mit Hähnchen in rotem Pesto

Zutaten:
30g dunkelrote Trockentomaten
30g getrocknete rote Paprika
10g Pinienkerne
4 kleine Peperoncini- oder Chilly-Schoten
4 mittelgroße Zehen roter Knoblauch
Saft einer kleinen Limone
1 gehäufter EL brauner Melassezucker
30g grob geschnittener frischer Parmesan oder Grano Padano der besten Qualität
Je nach gewünschter Geschmeidigkeit und Gusto 100 bis 200ml Mosto d'Oro (ungefilterte Erstpressung) ansonsten gutes Extra Vergine
In dieser Reihenfolge in den Mixer geben und nicht salzen, bevor abgeschmeckt wurde. Die getrockneten Tomaten und Paprika sind (unterschiedlich) nämlich sehr salzig

Pro Person zwei entbeinte Hähnchen-Oberschenkel
400 g dünne Makkaroni (No 6) oder nach Gusto

Zubereitung:
Makkaroni al dente kochen
Hühnchen entweder in einer Pfanne auf der Haut ohne zusätzliches Fett erst bei kleinster Flamme ausschwitzen lassen, dann scharf  zuende braten oder grillen, bis die Haut rundum knusprig ist. Die Makkaroni nicht ganz abgießen und den Pesto nach Geschmack unterheben und ein paar Minuten ziehen lassen. Die Hähnchenschenkel auf der Fleischseite mit dem Pesto bestreichen und dann in feine Streifen geschnitten auf die Makkaroni legen.
So zubereitet hat das Gericht eine süßscharfe Note. Wer es deftiger mag, kann die rote Note noch dadurch unterstreichen, dass er zwei Radicchio Trevisiano (das sind die länglichen) der Länge nach halbiert und in dem Hühnerfett kurz scharf anbrät, bis er auf der Schnittfläche knusprig braun wird; dann neben den Hühnerteilen drapieren

Buon appetito!